Braunfels schuf diese Oper eher als Oratorium oder Mysterienspiel, jedenfalls mit wenig äußerer Handlung. Er schuf nach originalen Gerichtsakten, erweitert um ihm wichtige Gesichtspunkte, einen eigenen Text, der sich auf die Heiligsprechung und die Legende und kaum auf die historische Gestalt der französischen Nationalheldin fokussiert. Spätromantisch im Klang mag man das Werk auch als Zeichen innerer Immigration nach Amtsenthebung und Berufsverbot durch die Nationalsozialisten verstehen. Nach dem Krieg war die Zeit über seinen Stil hinweggegangen, die Anerkennung durch die Nachkriegsavantgarde blieb versagt.
Die Musik ist sehr real und unnachahmlich Braunfels. Die sich im Verlauf steigernden Klangmassen der spröden Melodik umhüllen die Ohren auf spezifische Art. Honeck gelingt es, nach verinnerlichtem verhaltenem Anfang im Verlaufe immer mehr, das ORF Radio Symphonieorchester nicht nur präzise, sondern auch farbig und leidenschaftlich agieren zu lassen. Das RSO Wien, im Umfeld von Philharmonikern und Symphonikern der Stadt vermutlich eher unterschätzt, trägt und formt das Werk mit Verve. Auch wenn hier nicht seine Spezialität liegen sollte, adaptiert es den opulenten Klang bestens. Man mag anmerken, dass Honeck mit seinem auf Kontrolle bedachten Dirigat der Spannung und den Konturen nicht immer das Beste getan hat.
Die insgesamt sechzehn Solisten fügen sich zu einem fantastischen Ensemble. Überstrahlt werden alle von Juliane Banse in der Titelrolle. Mit einer Stimme, die sich vielleicht gerade wegen ihrer abgeflachten Qualität mit metallisch weichen Tönen anschmiegt, formt sie ihren Part berührend und schlicht. Sie überzeugt, indem sie distanziert genug ist, und rührt, indem sie gedämpft singt. Aber sie ist ehrlich in ihrer Deklamation. Die politisch-religiöse Legendenbildung wird, mutmaßlich entgegen der Absicht von Braunfels mit der interessantesten Musik des Werks hinterfragt.
Bryan Hymel als Jeannes Schutzengel Michael tut mit schmelzenden Farben, eher nasal, sein Bestes, um die nötige Kontur zu erzielen. Ruben Drole als Herzog von La Trémouille sieht rationalistisch eher den Wahn der Jeanne als ihr Sendungsbewusstsein, was er mit gelungener Kälte und Schärfe anzeigt. Die Zerrissenheit des Gläubigen bezüglich der sich auf Erden nie erfüllenden Sehnsucht nach Gewissheit artikuliert Johan Reuter als Gilles de Rais. Er meistert diese Rolle mit guter Phrasierung und Sicherheit, wenn auch nicht ganz der Fülle.
Tobias Kehrer gibt mit seiner tiefen und perfekt ausgeprägten Stimme Jeannes Vater, Jacobus d’Arc. Mit klarer Prägung wie geätzt, trotz auch ausgefransten Tönen, erfreut er mit Komfort und Klarheit in allen Lagen. Colin, der Schafhirte, hat in Norbert Ernst einen stimmfrischen Tenor mit natürlicher Ausstrahlung. Robert de Baudricourt, als Art Vormund von Johanna, wird von Martin Gantner mit einem feinen Parlando bedient. Ähnlich zu vernehmen ist Michael Laurenz als Bertrand de Poulengy und ebenso in einer Doppelrolle als böswilliger Bischof Cauchon.
Schließlich noch zu erwähnen Pavol Breslik als Dauphin und auch angehender Karl VII. Seine sympathische und dramatische Stimme ist mit natürlichem Druck versetzt, so dass sie gequält klingen kann. Sie ist zugleich jungenhaft und reif, passend für den Dauphin.
Bei den weiblichen Rollen finden sich ebenso sehr überzeugende Charaktere. Die heilige Katharina, eine nur kleine Rolle, wird durch die ansprechende, charismatische Stimme der Sopranistin Siobhan Stagg, mit freundlicher Leichtigkeit in allen Lagen aufgewertet. Auch die heilige Margarete, Sofiya Almazova, ist mit ihrem geheimnisvollen, fast schwebenden Mezzo nicht zu verachten. Lison, die Lady Baudricourt, wird von Wiebke Lehmkuhl mit einer starken und zugespitzten Stimme gesungen, die ebenso schön klingt wie schneidend.
Die siebzehnte Hauptrolle oder die eigentliche bewältigt der Chor. Dieser zeigt sich ernst und großartig, streng oder frei, hymnisch oder dialogisch. Die Chorpassagen sind wie ein Meer von überwältigender Schönheit. Beispielhaft sei das Gebet „Gepriesen sei der allmächt’ge Gott“ genannt, bei dem der Salzburger Bachchor eine großartigen Moment erzielt.
Braunfels created this opera more as an oratorio or mystery play, certainly with little external action. He created his own text based on original court documents, expanded to include aspects important to him, which focuses on the canonization and the legend and hardly on the historical figure of the French national heroine. Late romantic in tone, the work may also be understood as a sign of inner immigration following his removal from office and professional ban by the National Socialists. After the war, time had passed over his style and he was not recognized by the post-war avant-garde.
The music is very real and inimitably Braunfels. The sound masses of the brittle melody, which increase in the course of the work, envelop the ears in a specific way. After an internalized, restrained beginning, Honeck increasingly succeeds in making the ORF Radio Symphony Orchestra (RSO) not only precise, but also colourful and passionate. The Vienna RSO, probably rather underestimated among the city’s philharmonic and symphonic orchestras, carries and shapes the work with verve. Even if this is not its specialty, it adapts the opulent sound perfectly. It may be noted that Honeck did not always do the best for the tension and contours with his control-oriented conducting.
The sixteen soloists come together to form a fantastic ensemble. They are all outshone by Juliane Banse in the title role. With a voice that perhaps nestles with metallic soft tones precisely because of its flattened quality, she shapes her part touchingly and simply. She is convincing in that she is distant enough, and touching in that she sings in a subdued manner. But she is honest in her declamation. The political-religious legend-building is questioned, presumably contrary to Braunfels’ intention, with the most interesting music in the work.
Bryan Hymel as Jeanne’s guardian angel Michael does his best with melting colors, rather nasally, to achieve the necessary contour. Ruben Drole as the Duke of La Trémouille takes a rationalist view of Jeanne’s madness rather than her sense of mission, which he displays with successful coldness and sharpness. Johan Reuter as Gilles de Rais articulates the believer’s conflicting longing for certainty, which is never fulfilled on earth. He masters this role with good phrasing and assurance, even if not quite the fullness.
Tobias Kehrer sings Jeanne’s father, Jacobus d’Arc, with his deep and perfectly pronounced voice. With a clear, etched character, despite frayed tones, he delights with comfort and clarity in all registers. Colin, the shepherd, has a fresh-voiced tenor with natural charisma in Norbert Ernst. Robert de Baudricourt, as Johanna’s guardian of sorts, is served by Martin Gantner with a fine parlando. Michael Laurenz is similarly audible as Bertrand de Poulengy and also in a double role as the malicious Bishop Cauchon.
Finally, Pavol Breslik as the Dauphin and also the prospective Charles VII deserves a mention. His sympathetic and dramatic voice is offset with natural pressure so that it can sound tortured. It is at once boyish and mature, fitting for the Dauphin.
The female roles are equally convincing. St. Catherine, only a small role, is enhanced by the appealing, charismatic voice of soprano Siobhan Stagg, with friendly ease in all registers. St. Margaret, Sofiya Almazova, with her mysterious, almost floating mezzo, is also not to be despised. Lison, Lady Baudricourt, is sung by Wiebke Lehmkuhl with a strong and pointed voice that sounds as beautiful as it is cutting.
The seventeenth main role, or the actual one, is played by the choir. It is serious and grand, strict or free, hymnic or dialogic. The choral passages are like a sea of overwhelming beauty. One example is the prayer “Gepriesen sei der allmächt’ge Gott”, in which the Salzburg Bach Choir achieves a magnificent moment.