Es gibt Interpretationen, die in ihrer Intensität so packend sind, dass sie den Hörer sogartig in das Musikerlebnis hineinreißen. Die Aufführung des 4. Streichquartetts durch das Delian Quartett ist eine solche Interpretation. Sie macht das Messer deutlich, von dem Shostakovich gerade 1949, in einer Phase der Repression durch das Sowjetregime, immer fürchten musste, dass es ihm in den Rücken gestoßen werde. Zwar gibt es hier auch viel Lyrismus und Melancholie, sogar einige ironisch eingeflochtene heitere Passagen, aber die Bedrohung ist doch quasi durchgehend zu spüren, nicht zuletzt durch die Schärfung der Kontraste und des Klangbilds im Finalsatz bis zum fast akustischen Schmerz: die jüdischen Melodien brennen sich einem stringent ins Ohr.
Das 6. Quartett entstand 1956, drei Jahre nach Stalins Tod, und wirkt unbeschwerter als das Vierte. Die Benutzung von russischen Kinderliedern in den beiden ersten Sätzen ergibt einen leichteren Ton, der im Mittelteil des ersten Satzes aber auch wieder heftiger und harscher wird. Im zweiten Satz haben andere Formationen mehr Lockerheit zum Ausdruck gebracht als das Delian Quartett, das den Geigenkantilenen in hohen Lagen streckenweise einen regelrecht zynischen Charakter gibt, von den anderen Streichern geheimnisvoll untermalt. Viele Fragen tauchen hier auf!
Und so erscheint das Lento mit seiner ganzen Schwere dann auch logischer als in anderen Interpretationen. Es hat aber auch einen läuternden Effekt, denn es räumt die Fragen aus dem Weg für ein fast kämpferisch-leidenschaftliches Finale, das dennoch lento endet, in einem Pianissimo morendo.
Die zweite CD beginnt mit einer ‘Theater-Suite’, einer Folge von durch Elisabeth Wilson zusammengestellten Schmuckstücken aus den wenig bekannten Schauspielmusiken des Komponisten für ‘Hamlet’ und Balzacs ‘Die menschliche Komödie’, inspiriert dargeboten durch die Delians und Anatol Ugorski auf dem Klavier.
Das zweite Werk, das Klavier-Quintett g-Moll, ist streckenweise recht melodiös und nicht so düster wie die beiden Quartette der ersten CD. Doch das Delian Quartett und Ugorski haben ein besonderes Gespür für das Problematische in Shostakovichs Musik, wie das schmerzvolle Adagio eindrucksvoll zeigt. Lustig konnte das Scherzo bei ihnen denn auch nicht werden, nur eben sarkastisch schräg. Das immerhin 7 Minuten lange Intermezzo zeigt den überlegenden Komponisten: Was nun? Thumbs up, thumbs down? Er entscheidet sich für ‘up’, aber bis ins Zärtliche hinein bleibt die Musik hier ganz deutlich ironisch…
Und so liefern uns das Delian Quartett und Anatol Ugorski auf diesen beiden CDs ganz hervorragende Shostakovich-Interpretationen, die sich würdig in die Reihe der bisher immer überzeugenden Schallpatten des Quartetts bei Oehms Classics einreihen.