Pergolesis ‘Stabat Mater’ hat in den letzten Jahrzehnten viele herausragende Interpretationen gekannt, die weit entfernt sind von dem, an das die Musikliebhaber im XX. Jahrhundert gewöhnt wurden. Wie es schon zuvor Jacobs und Rousset getan haben, setzt auch diese neue kammermusikalische Version der Warschauer Chopin-Universität auf die Dramatik des Textes, den die beiden Frauen singen und der neben dem Leiden auch den Glauben an die Erlösung der Welt beinhaltet, für die Jesus am Kreuz gestorben ist. Das äußert sich in ungemein viel Intensität, Leidenschaft und Inständigkeit, was die beiden Sängerinnen, Anna Mikolajczyk und Wanda Franek, mit viel Spontaneität und Lebendigkeit hervorragend zum Ausdruck bringen. Keine Hoffnungslosigkeit kann sich so breitmachen, ganz im Gegenteil, der Schmerz wird durch den Glauben beflügelt. Die reduzierte Instrumentalbegleitung gibt das Primat an die Stimmen ab, auf die sich der Hörer voll konzentrieren kann.
Im Jahr 2010 komponierte Pawel Lukaszewski anlässlich des 300. Geburtstags von Pergolesi sein ‘Luctus Mariae’ (Die Trauer der Maria), ein Werk, das sich direkt auf jenes Pergolesis bezieht, obschon es nicht den klassischen ‘Stabat Mater’-Text benutzt, sondern einen zeitgenössischen lateinischen Text von Jerzy Wojtczak-Szyszkowski. Unter Beibehaltung der Struktur (13 Teile, Aufteilung in Arien und Duette) schuf der 1968 geborene polnische Komponist mit gemäßigt modernen Mitteln ein Stück, dessen Dramatik insgesamt opernhafter und unmittelbar klangmalerischer und deskriptiver wirkt als Pergolesis ‘Stabat Mater’, wobei auch den Instrumentalisten eine wichtigere gestalterische Rolle zukommt.
In diesem starken Werk, das an die beiden Sängerinnen größte Anforderungen stellt, zeigt sich erneut die Qualität der beiden Stimmen. Für die Sängerinnen Mikolajczyk und Franek und ihr großes Engagement lassen sich nur bewundernde Worte finden.