Zum 90. Geburtstag von Stanislaw Skrowaczewski veröffentlicht Oehms Classics eine Box mit sämtlichen Einspielungen, die der Dirigent mit der Deutschen Radio Philharmonie (bzw. dem Vorgänger-Orchester, dem Symphonieorchester des Saarländischen Rundfunks) für das Label gemacht hat.
Skrowaczewski hat während seiner langen Karriere alle wichtigen Orchester dirigiert und nimmt selbst in seinem 91. Lebensjahr einen dichten Terminplan wahr, der ihn nach Nordamerika, Europa und Japan führt. Derzeit ist er Ehrendirigent des fast toten ‘Minnesota Orchestra’, Erster Gastdirigent der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern und Ehrendirigent des Yomiuri NipponSymphonieorchesters.
Während der gemeinsamen Zusammenarbeit mit Oehms Classics entstanden vier bedeutende SymphonienZyklen, die in der 28-teiligen Edition enthalten sind: Anton Bruckner, ausgezeichnet mit dem ‘Midem Classical Award’ in Cannes, Ludwig van Beethoven, Robert Schumann und zuletzt Johannes Brahms. Daneben gibt es in der Box noch Werke von Béla Bartók, Hector Berlioz und Frédéric Chopin. Die CD ‘Skrowaczewski the composer’ würdigt den Komponisten Stanisław Skrowaczewski mit Einspielungen eigener Werke, die im Pizzicato als äußerst interessant und hörenswert bezeichnet wurden.
Auch für den in allen Hinsichten spannenden Brahms-Zyklus gab es viel Lob. Mit Ausnahme der Neunten Symphonie, die das übliche Niveau der Skrowaczewski-Aufnahmen nicht erreichte, riefen die Beethoven-Symphonien viel Begeisterung hervor. Zur CD mit den Symphonien Nr. 2 und 3 schrieb ich: « Stanislaw Skrowaczewski muss irgendwann in einen Jungbrunnen gefallen sein, wenn er nicht gar einen Jugend-Pakt mit Mephisto abgeschlossen hat. Die Vitalität und der Schwung, die er gleich im ersten Satz der Zweiten Symphonie an den Tag legt, sind phänomenal. Die Musiker werden zu Trapezkünstlern, schwingen sich mit bestechender Leichtigkeit in musikalische Lüfte und werfen sich die Klangseile mit Eleganz zu. Ein federnder und bewegungsreicher Klang charakterisiert diesen Beethoven, der in der Eroica durchaus auch Feierlichkeit und Ernst an den Tag legt. » Ähnlich gut wurden die übrigen Symphonien besprochen.
Der, wie gesagt, mit dem ‘MIDEM Classical Award’ ausgezeichnete Bruckner-Zyklus zeichnet sich durch eine besonders ausgereifte, detailreiche und zügige Leitung aus, in dem die Tempi immer richtig erscheinen, nie verschleppt, vie verhetzt, und jene singuläre Intensität hervorrufen, die neben der interpretatorischen Integrität Skrowaczewskis ein wichtiges Merkmal der Gesamtaufnahme ist. Immer wieder beeindruckt auch die Art und Weise, wie der Dirigent aufgrund seiner langen Erfahrung mit Bruckner die strukturellen Probleme der Symphonien souverän löst.
Zu den Schumann-Symphonien hieß es im Pizzicato: « Es gibt in diesen Schumann- Symphonien aufregend schnelles Musizieren und durchgehend eine Vitalität, ein inneres Feuer, wie andere Dirigenten es nicht einmal in ihrer Jugend erreichen. Skrowaczewski überrascht auch immer wieder mit sehr persönlichen Akzenten und Phrasierungen, die, auch wenn sie mal wirklich ganz apart geraten, doch nie einer peniblen Neuerungswut entsprechen, sondern sich ganz musikalisch, klangrhetorisch und sensibel, ja sogar frisch und spontan in das Ganze einfügen, ganz im Sinne einer sich permanent entwickelnden Auseinandersetzung mit den Werken. »
Bei der Veröffentlichung der CD mit der ‘Symphonie Fantastique’ von Hector Berlioz notierte ich: « Nach einigen eher unbefriedigenden Veröffentlichungen mit der ‘Symphonie Fantastique’ im Berlioz-Jahr ruft Stanislaw Skrowaczewski mit einer sehr persönlichen und charaktervollen, wenn auch diskutablen Interpretation unser Interesse hervor. Generell benutzt er recht langsame Tempi. Den ersten Satz bringt er so ganz schön in die Schwebe, den zweiten differenziert er in belebender Art und Weise. Auch der dritte Satz wird sehr langsam und erwägend dirigiert, aber nicht, um den Kontrast zu den zwei letzten Sätzen deutlich zu machen, sondern um einen Zustand der Bedrückung zu schildern. Sowohl in der ‘Marche au Supplice’ wie auch in der ‘Nuit de Sabbat’ bleiben die Tempi eher moderat, Mittel der Agogik wie ‘Ritardandi’ und ‘Accelerandi’ werden kaum benutzt. Skrowaczewski orientiert sich letztlich weniger an der Dramatik des literarischen Programms der Symphonie als am inneren Erleben des Künstlers, der dieser Dramatik ausgesetzt ist. Nur ist dieses Erleben ungemein schwermütig und enthält nicht die Nervosität, das Fieberhafte, das doch so charakteristisch für diese Komposition ist.«
Zu den Bartok-Einspielungen (Divertimento Sz 113; Konzert für Orchester Sz 116) schrieb ich: « Stanislaw Skrowaczewski hat die beiden Werke, die er hier dirigiert, vor langer Zeit mit dem Orchester aus Minneapolis für Mercury aufgenommen. Dass er sie jetzt noch einmal auf den Leisten nimmt, liegt wohl daran, dass seine Sicht der zwei Kompositionen anders geworden ist. Er bringt heute (mit den warmen und leuchtenden Farben des Saarbrücker Radio-Symphonieorchesters) mehr Menschlichkeit vor allem in das Konzert für Orchester ein, das man so oft vielleicht zu abstrakt gesehen und gehört hat. Hier ist es voll prallen Lebens, mit Bonhomie, mit Komik, Burleskem und Ironie, wobei die grotesken Züge ebenso wenig ausgespart werden wie die tragischen. Die Anlehnungen an die Foklore sind ebenfalls deutlich herauszuhören und das tänzerische Element wird nicht bloß durch Rhythmik zum Ausdruck gebracht: wir sehen und fühlen auch die Tänzer selbst. Und so entpuppt sich diese Version als eine Synthese einer analytischen Sicht wie jener von Boulez und der ungarisch-nationalistischen von Ivan Fischer. Diese Chemie funktioniert bestens. Eine wichtige CD im Bartok-Katalog! »
This box contains all the recordings made by Stanislaw Skrowaczewski for the German label Oehms Classics. It is published at the occasion of the 90th birthday of the conductor. The main characteristic of the performances is a juvenile force, with a lot of very personal accents and tempi.