« Diese Musik besteht aus dem Blut und den Tränen gequälter Seelen: ein erstickter Schrei, Stimmen, die inmitten einer verängstigten Stille murmeln, die Geräusche des Krieges in einer improvisierten Kadenz. Es geht um uns, unsere Vergangenheit und unsere Zukunft », schreibt Patricia Kopatchinskaja zu dieser CD, ihrer ersten als Künstlerische Leiterin der Camerata Bern.
Das Programm beginnt mit Kol Nidre, dem Einführungsgebet zum Yom Kippur, das von einem Kantor der jüdischen Gemeinde gelesen wird. Es folgt das gleichnamige Stück von John Zorn (*1953) mit einer Musik von elegischer Tiefe. Danach hören wir das hebräische Lied Eliyahu hanavi (Elias der Prophet) gesungen von den Schwestern Würsten, ehe uns die ganze emotionale Wucht von Karl Amadeus Hartmanns Concerto funebre erreicht. In diesem 1939 komponierten Werk bringt Hartmann seine Entrüstung über den Naziterror zum Ausdruck. Kopatchinskaja und die Camerata Bern bringen die Musik zum Glühen, lassen sie aber auch bissig attackieren.
Ein weiteres Lied mit den Schwestern Würsten und dem Akkordeonvirtuosen Wieslaw Pipczynski sowie ein Text mit dem polnischen Priester Wojciech Mariuszewski leiten über zu Tadeusz Syguietynskis Meditation Zwei Herzen.
Das von Yehudi Menuhin in Auftrag gegebene Polyptyque von Frank Martin ist für Violine und zwei kleine Streichorchester geschrieben und thematisiert sechs Szenen aus der Passion Christi. Hier wird es umrahmt bzw. getrennt durch den Kyrie von Guillaume de Machaut (1300-1377) und Transkriptionen von Bach-Chorälen. Auch dies ist eine emotional von Kopatchinskaja tief ausgelotete Strecke mit dem Hauptaugenmerk auf Martins Polyptyque, einem Stück, so sagt die Geigerin, « über Gottes Leiden und das Leid, das er ertragen musste, um die ewige Erlösung für die Menschheit zu erlangen ». Die Vermischung der Musik lässt Martins Werk noch viel stärker wirken als sonst.
Auch Crux des tschechischen Komponisten Lubos Fiser (1935-1999) ist in die Martin-Bilder eingebaut. Es ist eine Darstellung der Kreuzigungsszene, die aus seinem Requiem stammt, das als Reaktion auf die brutale Niederschlagung des Prager Frühlings durch die Sowjets 1968 geschrieben wurde. Es ist ein Duo für Geige und Schlagzeug, das Kopatchinskaja und Peter Fleischlin intensiv gestalten.
Nach einer Lesung durch einen russisch-orthodoxen Priester endet das Programm mit einer Transkription eines Chores aus der Johannespassion für Streichorchester « als hoffnungsvoller Aufruf zur ewigen Erlösung. »
Eine starkes Konzept und eine starke CD!