Erst jedes für sich, dann zusammen, so präsentierten sich das ‘Gringolts Quartet’ und das ‘Quartett Meta4’ im Kammermusiksaal der Philharmonie. Pizzicato-Mitarbeiter Uwe Krusch durfte nicht nur den Tönen lauschen, sondern auch den bewegungsreichen Darbietungen optisch verfolgen. Denn auch insofern hatten die beiden Quartette einiges zu bieten.
Das betraf zum einen, dass alle Quartettmitspieler bis auf die Cellisten im Stehen spielten. Modern war auch die eher legere und teilweise leuchtend farbige Kleidung. Doch das eigentlich Auffällige war die Stehordnung, die sich bei beiden Quartetten an der deutschen Orchesteraufstellung orientierte. Die beiden Geigen standen sich links und rechts gegenüber und bildeten den Rahmen. Dazwischen waren die tiefen Streicher gruppiert, wobei bei den ‘Gringolts’ die Bratsche links und das Cello rechts angeordnet waren, bei ‘Meta4’ waren diese beiden Positionen getauscht. Das Spielen im Stehen erlaubt eine größere Bewegungsfreiheit und ein leichteres Atmen und hilft so, einen größeren Ton und ein noch nuancenreicheres Spiel zu erzielen. Hier eignete es sich auch dafür, den Mitwirkenden sozusagen mehr Auslauf zu gestatten. Das galt insbesondere für die Geigerin von ‘Meta4’, die mit großen Schritten, teilweise stampfend, vor und zurück turnte und dann auch wieder in geduckter Stellung quasi in die Noten hineinkroch und ein ausdrucksstarkes Minenspiel offerierte. Da ‘Meta4’ aus Finnland kommt, musste man unwillkürlich an eine Trollfrau denken. Dieses bewegende und intensive Bühnenbild war für denjenigen, der mit einem Quartettabend ein eher statisches ganz auf das musikalische Geschehen fokussiertes Bild verbindet, sicherlich von diesem Auftritt mindestens irritiert.
Zu Beginn stellte sich das ‘Gringolts Quartet’ mit einem der späten Quartette von Joseph Haydn vor, nämlich dem ersten in G-Dur aus der Werkreihe op. 76, auch als ‘Erdödy-Quartette’ bekannt. Es gehört der Werkgruppe an, in der sich Haydn wieder besonders auf die kammermusikalische polyphone Stimmführung konzentriert hat. Das Ensemble ging dieses Werk furios und auftrumpfend, sozusagen gut gewürzt an. Damit entfernte es sich ein ordentliches Stück von dem von Haydn Intendierten. An der technischen und gestalterischen Bewältigung kann man bei diesen Künstlern nichts bemängeln, aus denen Ilya Gringolts an Bekanntheit herausragt. Ihr Zusammenspiel zeugt von tiefem gegenseitigem Einvernehmen und Verständnis. Aber durch die gewürzte Ausgestaltung wurde manche Feinheit dieses Spätwerks von Haydn übertüncht und seiner delikaten Linienführung beraubt.
Das mittlere Werk des Abends war das von ‘Meta4’ aufgezäumte dritte Quartett von Brahms. Auch diese Vier legten eine agile und ausdrucksstarke Interpretation vor, die durch die noch größeren Bewegungen, vor allem der beiden Geigen, auch optisch lebhaft wurde. Aber trotz Äußerlichkeiten war diese Darbietung musikalisch ausgereift und spannend. Auch diese können sich auf technische Meisterschaft und ein musikalisch blindes Verständnis zueinander verlassen. Ihr Zusammenspiel scheint auch ohne groß erkennbaren Blickkontakt untereinander so homogen und verwoben zu sein, dass man nur staunen kann. Sicherlich bekommt Brahms die ausdrucksstarke Gestaltung besser als Haydn, aber auch darüber hinaus erschien mir die Ausdeutung dieses Werkes stringenter und ansprechender. Das war schlicht und einfach überzeugend.
Die Vereinigung der beiden befreundeten Ensembles erfolgte dann bei dem auch über Kennerkreise weit hinaus bekannten Oktett für Streicher von Felix Mendelssohn. Hier addierte, besser gesagt kulminierte die Agilität und Intensität zu einer wahren Welle an überschäumender Energie. Diese Energie wurde aber nicht ungebändigt und zügellos, sondern durchaus differenziert herausgelassen. So erklang das Scherzo. Allegro leggierissimo elfenhaft leicht, sensibel und leise. Erstaunlich, vielleicht aber auch doch nicht so überraschend war die Besetzung. Wer zuvor erwartet hatte, dass der auch als Solist bekannte Ilya Gringolts den solokonzertgleichen Part der ersten Violine übernehmen würde, wurde eines Besseren belehrt. Minna Pensola von ‘Meta4’ war dieser Part zugefallen, den sie wiederum wie ein Rumpelstilzchen anmutend tanzte. Die intensive und großtonige Interpretation, die vorher jedes Ensemble bei seinem Werk schon gezeigt hatte, prägte insgesamt auch diese Interpretation. Das habe ich schon vor rund 20 Jahren von ‘Auryn’ und ‘Henschel Quartett’ in Frankfurt vielfach sensitiver und klarer strukturiert gehört, was wie ein Zauber wirkte. Eine andere Art Zauber gelang hier mit Tatkraft und Intensivität.
Zugaben wurden nach dieser Energieleistung nicht gegeben und wurden vom Publikum auch nicht durch intensiven Applaus gefordert.