Wenn eine Sängerin einen Text so erlebt, dass sie außer sich gerät und dieses Außer-sich-Sein auch hörbar macht, dann ist sie eine gute Interpretin. Das passiert auf dieser CD in der 5. Strophe aus Liszts ‘Loreley’. Über dem hektisch grollenden Klavier von Pascal Jourdan wird Stéphanie d’Oustrac total ekstatisch. Hervorragend ist auch, wie sie den Schlussteil von ‘Es war ein König in Thule’ steigert.
Wie sehr sich d’Oustrac auf den Text konzentriert, zeigt sich auch in ‘Villanelle’ aus Berlioz’ ‘Nuits d’Eté’. Sie lässt sich nicht von der Rhythmik verführen, konzentriert sich in einem betont langsamen Tempo auf den Text und gibt jedem Wort seine richtige Bedeutung. Vor allem aber wird ihr Gesang so ‘doux’, so ‘sanft’ wie der Text das beschreibt. In ‘Le spectre de la rose’ verbindet sie Sinnlichkeit mit Leidenschaft, und in ihrem Gesang glaubt man das morbide Parfum zu riechen, das die Todesrose verströmt.
Die düsteren Lieder ‘Sur les lagunes: Lamento’, ‘Absence’ und ‘Au cimetière: Clair de lune’ werden mit tief erfühlter Ergriffenheit wiedergegeben. Und auf die Grabeskälte folgt ‘L’île inconnue’, ein Lied, in dem beide Interpreten an die Frühlingsstimmung der ‘Villanelle’ anknüpfen. Der ganze Berlioz-Zyklus erfährt so in dieser Deutung von Stéphanie d’Oustrac eine sehr persönliche Wiedergabe, die sich vom Mainstream deutlich abhebt, mehr auf das Wort als auf die Musik achtend, und doch dringt die Sängerin auf diese Weise radikal ins Innerste der Kompositionen vor.
Eine exzellent aufgeführte ‘Mort d’Ophélie’ führt zu Richard Wagners ‘Wesendonck-Liedern’, die Stéphanie d’Oustrac sehr
opernhaft, manchmal direkt emphatisch (und mit einer Spur zu viel Vibrato) singt. Entsprechend dramatisch werden ‘Stehe Still!’ und ‘Schmerzen’. Dazu gibt es einen sanften ‘Engel’ und die total verinnerlichten Lieder ‘Treibhaus’ und ‘Träume’.
Neben der Sängerin agiert Pascal Jourdan am Klavier, der ihr hundertprozentig unterstützend zur Seite steht, die Stimmungen mitschürt und dabei aber auch eigene Akzente setzt.