Zum Abschluss der diesjährigen Styriarte, der steirischen Festspiele Graz trat Jordi Savall mit seinen Ensembles La Capella Reial de Catalunya und Le Concert des Nations in der Pfarrkirche Pöllau auf. Sie feierten die Vespro della Beata Vergine, kurz auf Deutsch Marienvesper, von Claudia Monteverdi. Uwe Krusch lauschte für Pizzicato.
Die Pfarrkirche als bedeutendster barocker Kirchenbau der Steiermark bot sich als Raum für dieses Werk geradezu an, hatte Monteverdi doch seine Marienvesper für fürstliche Kapellen oder Gemächer geschaffen. Die Pfarrkirche in der Form des Petersdoms mit einem Drittel der Größe der römischen Hauptkirche bot als Aufführungsort einen Bezug zum katholischen Zentrum und damit dem Papst.
Denn Monteverdi komponierte das Werk, das in seinem vollständigen Titel eine Messe für sechs Stimmen, die die Möglichkeiten der Kirchenchöre (a-capella) berücksichtigt, und Vespern mit mehr als sechs (bis zu zehn) Stimmen sowie bis zu acht dazu gefügten Instrumentalstimmen und darüber hinaus geistliche Konzerte, alles zu Ehren der Jungfrau Maria, ankündigte, für den Hauptadressaten, den Borghese Papst Paul V. Denn in den Jahren am Hof in Mantua hatte er nur wenig Gelegenheit gehabt, kirchliche Musik zu komponieren und wollte sich damit, nach heutigen Maßstäben, in Rom bewerben. Und gleichzeitig war dieser Papst ein großer Verehrer der Gottesmutter, so dass auch das Thema den Kontext vervollständigte.
Allein schon die Aufzählung der enthaltenen Teile und Besetzungen zeigt an, dass es sich um ein grandioses und vielschichtiges Werk handelt. Und doch bildet es eine Einheit von etwa eineinhalb Stunden Dauer, zusammengefügt aus verschiedenen Arten der Erfindung und der Harmonie.
Um einen solchen Kosmos zu meistern, bedurfte es erfahrener Musiker höchster Qualität. Und die standen für dieses Konzert zur Verfügung. Jordi Savall, schon von seinen mehr als 80 Lebensjahren gezeichnet, führte durch die so unterschiedlichen Gattungen und Abschnitte. Als Spezialist alter und ältester Musik gehören auch die Werke von Monteverdi zu dem von ihm gepflegten Kanon.
Mit oft unscheinbar wirkenden, aber gezielten Dirigierbewegungen wusste er die 14 Sänger und 18 Instrumentalisten so sicher und inspirierend durch den Abend zu führen, dass er die Schönheiten des Werkes zeigen konnte. Dabei merkte man ihm trotz seines Auftritts mit Gehhilfe keine Ermüdung oder Unkonzentriertheit während der durchgehenden Präsentation des gesamten Werkes an.
Doch ein Dirigat allein wäre nicht imstande gewesen, die Musik aufblühen zu lassen, wenn nicht adäquate Sänger und Musiker zur Verfügung gestanden hätten. Mit dem solistisch besetzten Chor La Capella Reial de Catalunya und dem ebenfalls solistisch agierenden Orchester Le Concert des Nations standen Savall die beiden aktuell wichtigsten und eng verbundenen Ensembles zur Seite.
Im Chor durften sich fast alle Beteiligten in unterschiedlichster Formation, als gesamte Gruppe, in kleineren Besetzungen wie Duos, Terzett oder einige sogar solistisch beweisen. Es gelang allen Sängern ausgezeichnet, die teilweise von großen Emotionen bis hin zur Ekstase geprägten Partien auszuloten. Dass auch in so einem hervorragenden Chor kleine Eifersüchteleien vorkommen, zeigte sich kurz vor Ende, als die eine hochschwangere Sopranistin pausieren musste und zwei Kolleginnen gleichzeitig versuchten, ihren Part zu übernehmen. Nach einem kurzen unaufgeregten Fingerzeig von Savall startete dieser Abschnitt neu in geordneten Bahnen und auch die Vertreterin konnte ihre Fähigkeiten auskosten.
Im Orchester herrschte nicht weniger Qualität, wenn auch der instrumentale Part bis auf die Continuo-Gruppe deutlich weniger zum Einsatz kam. Dann aber spielten die Streicher, Flöten, Zinken und Posaunen mit vollendeter Klangrede und höchst engagiert in den rein instrumentalen Konzerten oder auch zur Begleitung der Singstimmen.
Die Darbietung der Marienvesper blieb über die 90 Minuten immer hochspannend und konzentriert. Dieses exquisite Ergebnis lag einerseits in der großartigen Musik begründet, die mit ihren abwechslungsreich gestalteten Abschnitten selbst die Grundlage legte. Darüber hinaus brachten sich alle Beteiligten uneingeschränkt ein und konnten mit dieser konsequenten Zuwendung die Qualität der Komposition auf überzeugendste Weise darbieten.
Mit diesem Konzert fand Styriarte seinen krönenden Abschluss, der in dem vollbesetzten Gotteshaus dementsprechend honoriert wurde.