(Remy Franck) – Die Liveaufnahme des Ersten Klavierkonzerts von Johannes Brahms aus dem Seoul Arts Center präsentiert eine ungemein farbige und beseelte Interpretation. Die Dresdner Staatskapelle läuft unter Chungs Händen zu größter Form aus, wobei insbesondere die Holzbläser in ihren Soli beeindrucken.
Kim und Chung bringen in dem Konzert sowohl die aufgewühlte Kraft als auch das Reflektive der Musik bestens hervor. Das Adagio wird in seinem verträumt-elegischen Charakter ein besonders Erlebnis. Im Rondo zeigt der Pianist auch Virtuosität. Chung und er geben dem Finalsatz einen energetisch drängenden Charakter.
In den sechs Stücken op. 118 gelingt es Kim, viel an wehmütiger Herbststimmung abzugewinnen. Der koreanische Pianist besitzt einen wunderbar kommunikativen Stil, der ihn Brahms’ Musik dem Hörer erzählen lässt. Dabei kann die Musik atmen, und die Melodien fließen ganz natürlich.
The live recording of Johannes Brahms’ First Piano Concerto from the Seoul Arts Center presents an immensely colourful and soulful interpretation. With Chung conducting, the Dresdner Staatskapelle is getting its greatest form. The woodwinds in particular are impressing in their solos.
Kim and Chung show both the agitated power and the reflective nature of this Concerto. The Adagio, with its dreamy and elegant character, is a special experience. In the Rondo, the pianist also shows virtuosity. Chung and Kim give the final movement an energetically urgent character.
In the Six Pieces op. 118 Kim succeeds in gaining a lot of wistful autumnal mood. The Korean pianist possesses a wonderfully communicative style that lets him tell Brahms’ music to the listener. The music is breathing, and the melodies flow naturally.
(Guy Engels) – Brahms’ eigene Zweifel, was aus der ursprünglichen Sonate für zwei Klaviere werden sollte, sind bis heute die eigentliche Herausforderung für die Interpreten des ersten Klavierkonzertes. Der Komponist hat diese Lösung nach langem innerem Ringen gefunden – manche sprechen eher von einer Symphonie mit obligatem Klavier.
Solche Gattungsfragen sind gleich zu Beginn dieser Neuen Aufnahme ad absurdum geführt. Sunwook Kim und die Staatskapelle Dresden unter Myung-Whun Chung spielen schlichtweg grandiose Musik mit Allem, was Brahms an Tönen und Emotionen zu bieten hat: vom mit herber Energie Kraft strotzenden Einstieg über das unnachahmlich poetische Adagio bis hin zum quirligen und vitalen Finale.
Hier stellt sich niemand zur Schau, hier ist kein Tastenlöwe mit gespreizten Pranken am Werk. Den Interpreten geht es um das ganze Brahms-Universum, um die vielen heimlichen und wunderbaren Zwischentöne der Partitur – und auch um den Nachhall, die Stille des Klanges.
Sunwook Kim gelingt es, die, oft pampig gespielte Musik von Brahms, nahezu federleicht, schwebend wiederzugeben. Natürlich greift er auch richtig in die Tasten, wenn die Musik es verlangt, aber das ist weniger der Fall, als manche Interpreten meinen.
Die Staatskapelle Dresden und Myung-Whun Chung nehmen den klanglichen und interpretatorischen Faden des Solisten immer wieder nahtlos auf und verströmen besonders im Adagio einen herrlich warmen Klang mit großen, atmenden Spannungsbögen.
Obwohl Sunwook Kim in den 6 Klavierstücken op. 118 anschließend noch einmal mit seiner feinen Interpretationskunst nachlegt, hätte man auf diesen Füller verzichten können. Zumindest das erste Werk aus Opus 118 findet kaum Gehör im Nachklang des tief berührenden ersten Klavierkonzerts.