Es lohnt sich immer wieder, Orchester zu entdecken, von denen in letzter Zeit – global gesehen und insbesondere auf dem Schallplattenmarkt – etwas weniger die Rede war, in unserem Fall das ‘Real Orquesta Sinfonica de Sevilla’, bei Gelegenheit eines Besuchs im Rahmen der Vorbereitungen zur ICMA-Preisverleihung 2020 in der andalusischen Stadt.
John Axelrod, der Chefdirigent, künstlerische Leiter und Generaldirektor des Orchesters, dirigierte ein integral amerikanisches Programm und begeisterte nicht nur das Orchester, sondern auch das Publikum, das den Interpreten, darunter der junge spanische Pianist Juan Perez Floristan, wahre Ovationen bereitete. Zu Recht, kann ich behaupten, denn bei mir spielt ja keine lokale Präferenz mit.
Ein Programm mit Duke Ellingtons höllisch schwierigem Stück ‘Harlem’ zu beginnen, war ein Wagnis, das dem sichtlich spielfreudigen Orchester nichts ausmachte. Es war wirklich schnell in der Musik drin, die mit viel Swing und schönen Farben für sich einnahm. Das zweite Werk des Konzerts war George Gershwins ‘I Got Rythm’ mit dem 25-jährigen Juan Perez Floristan am Klavier, der sich als hoch musikalischer Interpret ohne Showeffekte in den Dienst der Musik stellte.
Das im Rahmen von ‘Leonard Bernstein at 100’ programmierte Konzert brachte dann die drei Tanzepisoden aus ‘On The Town’ zu Gehör. Der Bernstein-Schüler John Axelrod hat diese Musik im Blut, und er legte die Tänze ebenso spritzig wie elegant und genüsslich hin. Der Höhepunkt des Abends war aber zweifellos Gerwins ‘Rhapsody in Blue’, die in einer absolut hinreißenden Interpretation erklang. Mit einem Orchester, das über eine von dem temperamentvollen Rumänen Lucian Ciorata angeführte, geradezu phänomenale Kontrabassgruppe verfügt, exzellente Musiker im Holz und im Blech hat sowie gute Schlagzeuger, hatte Axerod alles zusammen, um die originale Jazzfassung von Ferde Grofé zum Erlebnis zu machen.
Doch neben diesem Orchester war es vor allem Floristan, der faszinierte. Rhythmisch-agogisch sehr phantasievoll, insgesamt sehr inspiriert lebte der Pianist tief in der Musik, um mit hinreißenden Improvisationen und stimmungsvollem Musizieren zu begeistern. Da war nichts oberflächlich, nichts wirkte aufgesetzt, es war genuiner, sehr fei und eminent musikalisch wirkender Gershwin, ungemein transparent, wunderbar artikuliert und technisch auf hohem Niveau. Der junge Pianist riss das Publikum zu Begeisterungsstürmen hin und bedankte sich mit zwei Zugaben. Remy Franck