Ein ungewöhnliches und abwechslungsreiches Programm hatten Tabea Zimmermann, das Festival Orchester Budapest und Ivan Fischer. Dass es dabei drei Solokonzerte und noch zwei Orchesterwerke zu hören gab, hat Uwe Krusch für Pizzicato gehört.
Der Abend teilte sich in eine Schumann-Hälfte und eine andere. Bei Schumann wurden zwei selten bis nie gehörte Werke geboten. Mit einem gemäßigt großen Symphonieorchester wurden beide Werke von Schumann eher in klassischer Manier geboten.
Das Konzertstück für vier Hörner und Orchester setzt vier gute Solisten heraus, die sich aus dem Orchester gefunden hatten. Die Solisten ließen sowohl den intensiv möglichen und typischen Hornklang erschallen wie sie auch mit lockererer Hand dem Werk lyrische Momente abgewinnen konnten. Im Quadrat am üblichen Solistenplatz positioniert, ergaben sie schon optisch, aber auch klanglich einen Block, ohne deswegen aggressiv zu wirken. So war dieses wegen der Solistenbesetzung selten aufgeführte Werk in einer gut gestalteten Interpretation wieder einmal auf dem Podium zu erleben.
Eine Neuheit, trotz Schumann, bot dann die von Tabea Zimmermann vorgenommene Bearbeitung des Cellokonzertes für ihr Instrument, also die Bratsche. Wegen der gleichen, nur eine Oktave höheren Stimmung wie beim Cello liegt so eine Adaption vielleicht näher als etwa die Umarbeitung des Konzertes auf die Violine. Im Vorfeld hatte Tatjana Mehner in ihrem Vortrag die Rolle der Mittelstimme beleuchtet und den Gedanken geäußert, inwieweit Erwartungen, die man an ein bekanntes Werk hat, den Höreindruck beeinträchtigen, vor allem wohl im Sinne einer Enttäuschung, die aus der geänderten Version und dem anderen Klang resultieren kann. Für mich zumindest kann ich sagen, dass ich dank des überragenden Spiels von Tabea Zimmermann keine Enttäuschung erlebte und auch keinen Verlust wahrnahm. Sie konnte mit ihrer Bratsche einen so klangvollen und großen Ton erzeugen, dass das Cello nicht vermisst wurde. Und die Bratsche ist zum Cello so verschieden wie auch ähnlich, dass die vielleicht größere Leichtigkeit gegenüber dem geringen weniger an Volumen auch Vorteile bringt. Das Werk war wegen seiner ungewohnten Struktur an und für sich schon bei seiner Entstehung umstritten und ist auch heute noch nicht allgemein beliebt. Vielleicht gibt diese neue Version dem Verständnis neuen Schub?
Nach der Pause standen drei relativ kurze Kompositionen auf dem Zettel. Erfreulicherweise standen Erstaufführungen in der Philharmonie am Anfang, nämlich Printemps von Claude Debussy und der Satz für Bratsche und Orchester von György Kurtag. Das frühe Werk aus seiner Zeit in Rom hat Debussy für Chor und Klavier geschaffen und erst André Busser hat später in Debussys Stil die Orchestrierung übernommen. Als Ursprung des Impressionismus kommt diesem Werk eine musikgeschichtliche Bedeutung zu. Doch auch musikalisch zeigt es schon alle Elemente der Musik des Franzosen, teilweise noch im Keim. Auf alle Fälle ist es wie die zweite Suite aus Daphnis und Chloe von Maurice Ravel, die den offiziellen Abend abschloss, wie gemacht, ein Orchester mit allen seinen Stärken zu präsentieren. Insgesamt konnte das Budapest Festival Orchester unter dem versierten und gezielten sowie immer freundlich wirkenden Dirigat seines Chefs Ivan Fischer die impressionistischen Farben deutlich modellieren. Vielleicht hätte man sich noch mehr Finesse und Breite der Farbpalette gewünscht, aber mit seiner langjährigen erfolgreichen Arbeit, bisher vor allem bei Mahler, mit dem Orchester kann Fischer diese bisher nicht so stark hervorgetretene Seite des Ensembles sicherlich noch ausprägen. Mit der effektvoll endenden Suite von Ravel jedenfalls konnten sie das Publikum zu berechtigten Beifallsstürmen anregen.
Davor war noch der einzelne Satz aus dem Bratschenkonzert von Kurtag erklungen. Kurtag selber hatte den anderen Satz zurückgezogen, so dass nur dieser eine aufgeführt werden darf. Wiederum hatte Tabea Zimmermann ihr Instrument ergriffen, um dieses Werk zu spielen. Im Englischen Bewegung meinend, ansonsten relativ neutral als Satz bezeichnet, stellt dieses frühe Studienabschlusswerk noch eine intensive Beschäftigung Kurtags mit der Spätromantik dar. Erst später bildete er seinen knappen Personalstil aus. Das im Grundton herb traurige Werk bot damit jedoch noch mal einen anderen Blick auf Kurtag, der mehr als lohnend genannt werden muss. Tabea Zimmermann wusste auch hier all ihr Können, sei es die volle Beherrschung des Instruments wie auch die gestaltende Kraft ihrer Musikalität zu offenbaren. Dabei wurde sie vom sehr aufmerksam dirigierenden Fischer und dem Orchester nach Kräften unterstützt, was man bei einem Stück eines Landmanns sicher auch erwarten durfte.
So ungewöhnlich schon die Programmgestaltung gewesen war, so überraschend war dann auch die Zugabe. Das Orchester stellte sich als Chor auf, um von Antonin Dvorak das Lied ‘Abendsegen’ zu singen. Dafür hatte Fischer sich ohne seinen sehr langen Taktstock zu nutzen, zum Chordirigenten gemausert. Außer den Bläsern hatten alle Musiker während des Konzerts ihre Masken aufbehalten, so dass diese besondere Darbietung nach den Worten von Ivan Fischer auch ein Experiment war, wie der Gesang mit Maske klingt. Dazu kann man sagen, dass die Beeinträchtigung des Klanges nicht so dramatisch ist, wie man es vermuten würde. Natürlich fehlen die Lippenbewegungen, die ein Verständnis des Textes erleichtern. Aber bei einem fremdsprachigen Text ist dieses Element sowieso begrenzt.