Alle Pianisten scheinen nur noch eins zu vollen, nämlich Johann Sebastian Bachs Goldberg-Variationen aufzunehmen. Wir werden seit Monaten regelrecht überschwemmt mit Einspielungen renommierter wie auch unbekannter Pianisten, von den zahlreichen Bearbeitungen des BWV 988 einmal ganz zu schweigen.
Hier spielt nun der Franzose Alexandre Tharaud und bietet dem interessierten Hörer eine in allen Punkten gelungene Interpretation. Tharaud hat den Vorteil, dass er sich nicht unbedingt auf den Interpretationswegen seiner Kollegen bewegt und Bewährtes in den Mittelpunkt stellt. Vielmehr nutzt er die Möglichkeiten, die Bach dem Pianisten in diesem Werk gibt, und vor allem seinen Rat, doch bitte recht phantasievoll mit der Musik umzugehen. Das tut Alexandre Tharaud auf meisterliche Art, so dass seine Variationen sehr verschiedene Bilder, Stimmungen, Farben und Gefühle wiedergeben. Also ist es nicht unbedingt der große Bogen, der sich von der Aria bis zur Aria da capo e fine schlägt, der dieses Aufnahme, wie viele andere auszeichnet, sondern der Interpret gestaltet jede Variation als einen eigenen Mikrokosmus. Hier öffnet Tharaud viele kleine Fenster, durch die der aufmerksame Hörer ganz neue Aspekte des Werkes selbst und der Musik Bachs kennenlernt.
Diese außergewöhnliche Interpretation wird durch ein sehr präsentes Klangbild unterstützt, so dass sich Tharauds Interpretation der Goldberg-Variationen wohltuend von vielen anderen Einspielungen abhebt. In dem Sinne darf man dieser CD einen Ehrenplatz neben den Klassikern von Gould, Perahia und Nikolayeva durchaus einräumen.