Wenige Monate nach dem Leipziger Brahms mit Chailly (CD, Decca) kommt nun ein Video-Brahms aus der Nachbarstadt Dresden, mit Christian Thielemann. Es handelt sich um Konzertmitschnitte aus der Semperoper Dresden (Nr. 2 & 4) und der NHK Hall Toyko (Nr. 1 & 3), mit einem 52-minütigen Interview mit Christian Thielemann über die Brahms-Symphonien, sowie seine Sichtweise und seinen Interpretationsansatz.
Wir hören einen dramatischen, pastosen, fetten und bedeutungsvollen Brahms in blumiger Sprache, mit satten und eher dunklen Farben, nicht im Entfernesten zu vergleichen mit dem Chailly-Brahms, der so schlank, dynamisch und mitreißend klingt.
Thielemanns Aufnahmen präsentieren einen Brahms zum Zurücklehnen und zum Bestaunen. Alles ist aufs Sorgfältigste ausgearbeitet und ausbalanciert, rhythmisch durchaus nicht auf ständigen Fluss aus, dafür aber gewichtig auch mit seinen schönen Blechchorälen und kraftvollen Akzenten. Ein Spiel mit Spannung und Entspannung ist dieser Brahms auch nicht, wenngleich die Spannung streckenweise sehr gering ist. Entspannen muss man fühlen, hier fällt die Spannung einfach weg, wie ein Licht, das ausgeht. An anderen Stellen wird mit einer enormen Fülle an Details eine Spannung aufgebaut, die fast zu stark ist und den Hörer gelegentlich überfordert, ja ihn nervös macht. Auch das Rubato ist nicht immer kohärent
Etwas muss man dem Dirigenten lassen: Sein Brahms klingt sehr ausgearbeitet, sehr geprobt, aber nicht vorgefertigt. Thielemann hält alle Fäden in der Hand, und die Musiker müssen sehr auf seine Zeichengebung achten. Das führt auch zu so manchen unsauberen Einsätzen.
Vieles ist bemerkenswert in diesem Brahms, aber so richtig begeistern will er nicht.
Meaningful and very elaborate Brahms performances. Remarkable, but never really exciting.