Zum bevorstehenden Bruckner-Jubiläum im Jahre 2024 spielen die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Christian Thielemann einen kompletten Bruckner-Zyklus mit den neun nummerierten sowie den frühen Symphonien in f-Moll und d-Moll ein. Die Edition enthält außerdem ausführliche Gespräche mit Christian Thielemann zu jeder Symphonie.
Thielemann hat für diese Edition die Wiener Fassung der 1. Symphonie gewählt, also die revidierte Fassung von 1891, die 25 Jahre nach der Urfassung, der sogenannten Linzer Fassung entstand.
Thielemann straft die Lügen, die behaupten, die Urfassung sei lebhafter als die Wiener Fassung. Den ersten Satz dirigiert er sehr frisch und kraftvoll, mit packender Spontaneität.
Das Adagio ist nicht weniger inspiriert und packend, und das Scherzo ist in seiner rhetorischen und federnd schlanken, brillanten Art eine der besten Interpretationen dieses Satz, die ich kenne. Das Finale erklingt genauso, wie Bruckner es vorschreibt, ‘Bewegt, feurig’, was aber bei Thielemann nie zu einem kantigen oder rauen Musizieren führt, denn sein Bruckner ist auf runden, wohlproportionierten Wohlklang angelegt.
Während diese Erste Symphonie im Wiener Musikvereinssaal ohne Publikum eingespielt wurde, ist die Siebte in einem Konzertmitschnitt von den Salzburger Festspielen zu hören.
Auch in der Siebten erweist sich Christian Thielemann ist exzellenter und sehr persönlicher Bruckner-Dirigent, der bei allem Wohlklang und Ausgewogenheit immer ausdrucksstark bleibt, oft leidenschaftlich im Wechselspiel der Spannungen. Was man hört, sieht man im Film auch durch seine Gesten, seine Augen und seine Kopfbewegungen. Alles ist da vorgegeben und wird von den Wiener Philharmonikern mit größter Genauigkeit umgesetzt.
Die Siebte ist frei von Weihrauch und Pathos, sie ist außergewöhnlich dynamisch, spontan und narrativ. Dabei behält der auswendig dirigierende Dirigent immer den Überblick, er weiß genau, wohin er gehen will, wie er die Höhepunkte ansteuert und immer auch für einen großartigen Reichtum an liebevoll vorbereiteten Details sorgt. So viel richtigen und erlebten und zum Erlebnis bestimmten Ausdruckskraft findet man nicht immer in Bruckner-Symphonien.
Wie das alles zustande kommt, erklärt der Dirigent eindringlich in der angehängten Dokumentation.
For the upcoming Bruckner anniversary in 2024, the Vienna Philharmonic, conducted by Christian Thielemann, will record a complete Bruckner cycle including the nine numbered symphonies as well as the early symphonies in F minor and D minor. The edition also includes extensive conversations with Christian Thielemann about each symphony.
For this edition, Thielemann has chosen the Vienna version of the 1st Symphony, that is, the revised version of 1891, which was written 25 years after the original version, the so-called Linz version.
Thielemann gives the lie to those who claim that the original version is livelier than the Viennese version. He conducts the first movement very freshly and powerfully, with gripping spontaneity.
The Adagio is no less inspired and gripping, and in its rhetorical and springy, lean, brilliant way the Scherzo is one of the best interpretations of this movement I’ve heard. The finale sounds exactly as Bruckner prescribes, ‘moving, fiery’, but this never leads to edgy or harsh music-making with Thielemann, for his Bruckner is designed for rounded, well-proportioned euphony.
While this First Symphony was recorded in Vienna’s Musikvereinssaal without an audience, the Seventh can be heard in a concert recording from the Salzburg Festival.
In the Seventh, too, Christian Thielemann proves to be an excellent and very personal Bruckner conductor who, for all his euphony and balance, always remains expressive, often passionate in the interplay of tensions. What you hear is also seen in the film through his gestures, his eyes and his head movements. Everything is indicated there and is realized by the Vienna Philharmonic with the greatest precision.
The Seventh is free of incense and pathos; it is exceptionally dynamic, spontaneous and narrative. At the same time, the conductor, who conducts from memory, always maintains an overview, knows exactly where he wants to go, how to approach the climaxes, and always provides a magnificent richness of lovingly prepared details. One does not always find so much correct and experienced expressive power in Bruckner symphonies.
How all this comes about, the conductor explains vividly in the attached documentation.