Ludwig van Beethoven: Sonaten für Violine & Klavier; Marlo Thinnes, Klavier, Ingolf Turban, Violine; 4 CDs Telos Music TLS248; Aufnahme 02 & 06/2020, Veröffentlichung 19/02/2021 (o.A.) - Rezension von Remy Franck
Es ist immer wieder erfrischend, bekannte Kompositionen in Interpretationen zu hören, die neue Wege gehen. Von Beethovens Sonaten für Klavier und Violine hat man schon sehr spannungsreiche und auch fetzige Interpretationen gehört, sowie traditionellere. Marlo Thinnes und Ingolf Turban kann man gewiss den Vorwurf nicht machen, sie seien Traditionalisten im Plüschumfeld. Aber es geht ihnen auch nicht nur um hochvoltiges Musizieren. Sie differenzieren die Sonaten sehr feinfühlig zwischen Leidenschaftlichkeit, Lyrismus und hin und wieder auch Humor.
Indem Beethoven in den Titeln das Klavier vor der Violine nennt, weist er auf die Wichtigkeit des Instruments hin, das hier auf keinen Fall die Violine nur begleiten soll. Thinnes ist sich dessen voll bewusst und geht den Klavierpart mit größter Musikalität und Eigenständigkeit an. Er nuanciert überaus fein, akzentuiert sehr deutlich und bleibt immer präsent, obwohl er sein Spiel immer dem seines Kollegen Ingolf Turban anpasst. Dieser lässt seinem prägnanten, charaktervollen Spiel freien Lauf, er akzentuiert sehr spontan, oft keck, bleibt auch den lyrischeren Passagen nichts an einfühlsamem Musizieren schuldig. Turbans Tongebung ist generös, er ist ein Geiger mit einem feinen Gespür für Expressivität.
Aber auch Turban schränkt Marlo Thinnes nie ein. Die beiden ergänzen sich vorzüglich, kommen zusammen und gehen wieder auseinander, immer auf eine komplett natürliche und zugleich spontan wirkende Art. Die enge Partnerschaft der beiden Interpreten führt demnach zu einer spannenden Auseinandersetzung.
Es wird generell brillant und virtuos gespielt, aber die Poesie bleibt nicht auf der Strecke.
Derart kongenial gestalten zu können setzt natürlich eine gute Werkkenntnis und eine technische Souveränität voraus, wie sie diese beiden Künstler mitbringen.
It is always refreshing to hear well-known compositions in interpretations that break new ground. We have heard Beethoven’s sonatas for piano and violin in very excited and frantic interpretations, as well as in more traditional ones. Marlo Thinnes and Ingolf Turban certainly cannot be accused of being traditionalists in a plush environment. But they don’t play under high tension all the time. They differentiate the sonatas very sensitively between passion, lyricism and now and then also humor.
By naming the piano before the violin in the titles, Beethoven points out the importance of the instrument, which is by no means only meant to accompany the violin. Thinnes is fully aware of this and plays the piano part with the greatest musicality and independence. The nuances are extremely fine, accentuations clear and his playing always remains present, although he adapts it to that of his colleague Ingolf Turban. The latter’s performance is characterful, he accentuates very spontaneously, often boldly, yet does not owe anything to a highly sensitive playing in the more lyrical passages. Turban’s tone is generous; he is a violinist with a fine sense of expressivity.
But Turban never restricts Marlo Thinnes either. The two complement each other exquisitely, coming together and parting again, always in a completely natural yet spontaneous manner. Accordingly, the close partnership of the two performers leads to an exciting confrontation,
The playing is generally brilliant and virtuosic, but the poetry does not fall by the wayside.
To be able to perform in such a congenial way, of course, requires a good knowledge of the work and a technical sovereignty, which is a given with both artists.
Ingolf Turban und Marlo Thinnes über den ‘allesfordernden’ Beethoven, ICMA, die Celibidache-Schule und die Musikindustrie