Im Rahmen der ersten Schumanniade in Luxemburg geben der Tenor Daniel Johannsen und der Pianist Thomas Schubert am Samstag, 28. September um 19 Uhr einen Liederabend* im Mutferter Haff (12, um Kinert / Moutfort, Luxemburg). Alain Steffen hat sich mit dem Pianisten Thomas Schubert unterhalten, dessen Hölderlin-Zyklus bei diesem Konzert uraufgeführt wird.
Herr Schubert, beim letzten Konzert der diesjährigen Schumanniade in Moutfort erlebt der Hörer die Uraufführung eines von Ihnen komponierten Liederzyklus‘. Was dürfen wir uns von Ihrem Werk erwarten?
Ich habe versucht, mich mit den Mitteln der Tonalität den Gedichten von Hölderlin zu nähern und sie aus meiner Sicht zu deuten, dabei eine möglichst textgerechte Musik zu schaffen, die sich den Zuhörern unmittelbar erschließt und ihnen die Worte und Gedanken des Dichters nahe bringt und verdeutlicht. Wenn dies gelingt, freue ich mich.
Was fasziniert Sie an den Texten von Hölderlin?
Hölderlin gehört zusammen mit Rilke zu meinen bevorzugten Lyrikern. Er war ein Mensch mit hohen Idealen, die er auch kompromisslos gelebt hat bis hin zum Rückzug in den Tübinger Turm, denn welcher Art seine Geisteskrankheit war steht ja keinesfalls fest. Vielleicht war es eher ein Rückzug ins Innere, auf den am ehesten das Gedicht von Rückert zutrifft: ‘Ich bin der Welt abhanden gekommen, mit der ich sonst so viele Zeit verdorben … Ich bin gestorben dem Weltgewimmel, und ruh’ in einem stillen Gebiet. Ich leb’ allein in mir und meinem Himmel, in meinem Lieben, in meinem Lied.’ Da ich am altsprachlichen Zweig meines Gymnasiums das Abitur abgelegt, mich als Jugendlicher also jahrelang mit der Literatur des Altertums befasst habe, steht mir Hölderlins Griechenland-Ideal sehr nahe. Drei der Lieder meines Zyklus’ entstammen diesem Gedankenkreis. Mich faszinieren – abgesehen natürlich von der großartigen sprachlichen Gestaltung – die tiefen philosophischen Einsichten, die Hölderlin in Gedichtform fasst. Die sind oft nicht ganz einfach und beim ersten Lesen oder Hören verständlich, aber bei näherer Beschäftigung eröffnet sich die ganze Tragweite dieser tiefsinnigen Gedanken. Für mich ist Hölderlin gleichermaßen Dichter wie Philosoph.
Der Widmungsträger ist der Tenor Daniel Johannsen, der an diesem Abend auch die Uraufführung singt. Ein Dankeschön an diesen Sänger?
Genauso ist es. Ich schätze Daniel ganz außerordentlich, als Sänger, als Kollege und Freund. Wir haben in den vergangenen Jahren verschiedene Liederabendprogramme miteinander erarbeitet und zur Aufführung gebracht – zunächst im Rahmen meiner eigenen Konzertreihe im Schloss Hernstein, Niederösterreich, dann auch außerhalb – und jedes Mal war es eine sehr beglückende Zusammenarbeit, bei der ich selbst auch viel von ihm lernen konnte. Ich kenne wenige Sänger mit solchen musikalischen Fähigkeiten (er ist ja auch studierter Kirchenmusiker) und profundem Wissen und ich höre bei ihm Qualitäten des großen Peter Schreier heraus. Da lag natürlich der Wunsch nahe, einen Liederzyklus für ihn zu komponieren; die Proben haben meine schönsten Erwartungen erfüllt und ich freue mich nun sehr auf die Aufführung, weil ich weiß, dass seine Interpretation voll und ganz meinen Vorstellungen entspricht.
Das Publikum tut sich seit jeher – natürlich bis auf einige Ausnahmen – mit dem Liedrepertoire oft eher schwer. Wie sehen Sie die Rolle des Liedes gerade heute im Rahmen der zeitgenössischen Klänge, die ja nicht immer unbedingt sänger- und publikumsfreundlich sind?
Als Replik auf den zweiten Satz hätte ich schon ein wenig Lust, gegen die « zeitgenössischen Klänge » zu polemisieren, möchte aber nur sagen, dass mich diese kaum noch interessieren – mit wenigen Ausnahmen. Ich selbst gehe meinen eigenen Weg und versuche durchaus, sänger- und publikumsfreundlich zu schreiben. „Publikumsfreundlich“ bedeutet ja nicht unbedingt ‘seicht’ oder ‘trivial’ und ‘sängerfreundlich’ sollte eine Selbstverständlichkeit sein wenn man für Stimme schreibt – auch das heißt längst nicht, dass man keine besonderen Anforderungen stellen darf. Das Lied ist eine lyrische Form und sollte sanglich sein. Dass das Publikum sich mit dem Liedrepertoire schwer tun soll, kann ich nicht einsehen. Das Lied wird zwar schon so lange totgeredet, aber: es lebt! Die von mir geleitete Liederabendreihe 50 km hinter Wien erbringt bei jedem Konzertabend den Gegenbeweis: Da kommt ein Publikum, das aus den verschiedensten Bevölkerungsschichten stammt und keineswegs aus ‘Spezialisten’ besteht – ein paar davon kommen freilich auch – und das sich einen Abend lang mit anspruchsvollen Programmen befasst. Das Programm der Schumanniade Moutfort zum Beispiel ist eines davon. Die Veranstaltungen wären nicht seit Jahren so gut besucht, wenn die Leute damit nichts anzufangen wüssten. Man darf das Publikum nicht unterschätzen!
Sie sind, so glaube ich, ein indirekter Nachfahre des großen Franz Schubert. Ist das ein Segen oder eher ein Fluch?
Ein Urgroßvater von Franz Schubert, Carl Schubert, ist einer meiner Vorfahren. Die verwandtschaftliche Beziehung zu Schubert ist sicherlich kein Fluch – warum sollte es auch ein Fluch sein, so jemanden in seinem Familienstammbaum zu haben? Ob es ein Segen ist, vermag ich nicht zu sagen; in jedem Falle ist es aber eine schöne Fügung, dass es sich für mich so ergeben hat, über die Oper und Sinfonik schließlich zum Kunstlied zu gelangt zu sein – das war übrigens keineswegs von vornherein so geplant – und seinem Werk sowie dem der anderen großen Liedkomponisten als ausübender Künstler sowie als Programmgestalter und Konzertorganisator zu dienen.
Sie sind aber nicht nur Pianist und Komponist, sondern auch Dirigent und Konzertorganisator. Was steht denn auf Platz 1?
Als ganz junger Mensch wollte ich Komponist werden, habe mir die Grundlagen autodidaktisch erarbeitet und nach dem Abitur dann ein Kompositionsstudium an der Musikhochschule begonnen. Dort wurde mir dann das Komponieren gründlich verleidet, so dass ich im zweiten Jahr in die Dirigentenklasse wechselte. Ich erinnere mich noch an den Kommentar zu einem meiner ersten Stück, die ich während des Studiums vorgelegt habe: « Da steht ja ein Dreiklang! SO komponiert MAN heute nicht mehr! » Danach blieb ich beim Dirigieren und war zunächst einige Zeit am Theater, bis ich mich schließlich für das Lied begeisterte und mich mit Liedgestaltung zu beschäftigen begann. Und bald auch eine Veranstaltungsreihe ins Leben rief. Mit dem Komponieren befasse ich mich intensiv erst wieder seit etwa 10 Jahren und es gewinnt mehr und mehr an Bedeutung für mich. Ob nun die Beschäftigung mit dem Lied mehr im Vordergrund steht oder die Komposition, vermag ich nicht zu sagen, oft hängt alles ja eng miteinander zusammen – siehe das Liederabendprogramm der Schumanniade Moutfort. Auf Platz 1 steht immer das, was ich gerade mache.
Als Liedbegleiter haben Sie mit vielen Sängern zusammengearbeitet. Leider wurde der ‘Mann am Klavier’ in diesem Bereich lange Zeit oft unterschätzt. Worin sehen Sie die Herausforderungen des Klavierbegleiters und vor allem, was zeichnet einen guten Liedbegleiter aus?
Ich denke nicht, dass die Rolle des Liedbegleiters heute noch unterschätzt wird, wie es sicherlich lange der Fall war. Zumindest beim wissenden Publikum. Aus dem Mann am Klavier ist längst ein Mitgestalter geworden, der ebenso seine Interpretation mit einbringt wie der Solist. Im Englischen heißt es ja ‘collaborative pianist’ und das bei Kammermusik ebenso wie auch beim Lied. Der große amerikanische Liedbegleiter Martin Katz, von dem ich viel lernen durfte, hat ein Buch mit dem Titel ‘The Complete Collaborator: The Pianist as Partner’ veröffentlicht und ich finde, der Begriff passt sehr gut. Die Anforderungen an einen Liedbegleiter sind vielfältig, ich möchte nur folgende Eigenschaften nennen: er sollte ALLE Gesangsliteratur lieben – sei es nun Lied, Oratorium oder Oper – und er muss sich unbedingt auch mit Dichtung und vor allem Lyrik befassen. Er sollte gut zuhören und reagieren können, oft die eine oder andere Situation antizipieren, sei es um auszugleichen oder um spontane Wendungen, die sich aus dem Augenblick heraus ergeben, unmittelbar aufzunehmen, umzusetzen und dem Solisten den Ball zurückzuspielen. Gerade in der Konzertsituation kommen oft gute Einfälle, die über das in den Proben Erarbeitete hinausgehen.
* Liederabend mit Werken von Schumann, Strauss, Mendelssohn – Bartholdy, Wolf, …
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