Einige mögen sagen, schon wieder die Soloviolinwerke von Bach, andere können nie genug davon bekommen, zumindest dann, wenn die Interpretation mit diesem Opus Magnus mithalten kann. Thomas Zehetmair hat sich erneut diesem in der originalen eng beschriebenen Handschrift 21 Seien umfassenden kalligraphischen Kleinod angenommen. Mit dem Unterschied, dass er jetzt auf historisches Instrumentarium mit der dazugehörigen Haltung, etwa ohne Kinnhalter setzt. Er verwendet zwei Geigen und ebenso zwei Bögen, je für die Sonaten bzw. die Partiten.
Seine Interpretationen sind wie immer bei ihm von sehr persönlicher Aussage. Quasi die Erläuterungen im Beiheft vorwegnehmend, lässt er das eröffnende Adagio der Ersten Sonate zögernd, wie sich des Weges noch sehr unsicher Seienden, an sich und uns heran. Darin eröffnet sich schon der gesamte Duktus der Aufnahme. Denn diese sechs Stücke genügen eigentlich sich selbst, erst in zweiter Linie dienen sie der Ergötzung des Interpretierenden und erst ganz zum Schluss, wenn überhaupt, sind sie für den Zaungast, also den Hörer am Lautsprecher gedacht. So entwickelt Zehetmair eine nur für die Kammer gedachte Gestaltung.
Das Double Presto der Ersten Partita treibt mit irrsinnigem Tempo voran, wobei es Zehetmair so mühelos wie überzeugend gelingt, trotzdem entspannt und mit mehr als Beherrschung der Technik zu agieren, dass man einfach lauscht und keine Angst haben muss, es könnte schief gehen.
Fuge der Zweiten Sonate wirkt rau und extrovertiert in ihren Akkordbrechungen. Das folgende Andante legt einen beschwingt fröhlichen Schritt vor, wo andere eher gemessen schreiten. Weiterhin stellvertretend erscheinen in der Zweiten Partita die Giga im Tempo forciert und die große Ciaccona erfährt eine Deutung, die auf die Details blickt und dem Hörer den Überblick über den gesamten Satz nicht erleichtert. Erst im weiteren Verlauf der CD kehrt Zehetmair zu dem anfänglichen Ansatz zurück, so dass sich hier der Kreis schließt.
Komplettiert wird diese Ausgabe, ganz im Stil des Labels ECM, mit einem Vorwort des Interpreten und einem umfangreich gelehrigen, aber nicht lehrerhaften Anmerkungstext von Peter Gülke, der tief in die Werke einführt, ohne den Leser gedanklich abzuhängen.