Diese TV-Studioproduktion einer Aufführung der ‘Kent Opera’ muss als eine der bedeutenden Leistungen der Achtzigerjahre angesehen werden. Sie hat auch heute noch ihre Gültigkeit, und es ist gut zu wissen, dass sie nun in überarbeitetem ‘High Resolution Sound’ erhältlich ist.
Dies ist nämlich eines der wirklichen Meisterwerke des 20. Jahrhunderts, und wohl nirgends, außer in ‘A Child of Our Time’, hat Sir Michael Tippett seinem wesenseigenen Pazifismus überzeugender Gestalt verliehen als in dieser Oper, deren Libretto er selbst verfasste und deren herbes, strenges Klanggewand dem Thema optimal entspricht.
Die visuelle Kraft der Inszenierung, die die Klaustrophobie des belagerten Trojas übermittelt, erhält ihre Intensität vor allem durch die raffiniert gesetzten ‘Close Up’. Es geht hier um die fundamentalsten Gefühle der Menschen: Liebe, Hass, Rache, Trauer, Verzweiflung, und um dramatische Entscheidungen, die gefällt werden müssen. Es geht um Seelendramen, um Menschen, die durch den Krieg in ihrem Innersten verwundet und zerstört werden.
Das macht die Produktion zu einem beklemmenden, immer fesselnden Erlebnis, zumal das Musikalische dem Visuellen in nichts nachsteht. Rodney Macann hat sich so in seine Rolle hineingelebt, dass er zu Priamus wurde, Neil Jenkins, Howard Haskin und Omar Ebrahim ragen als Achilles, Paris und Hector hervor, und Sarah Walker stellt eine zutiefst ergreifende Andromache dar.
Der großartig singende Chor, das ausgezeichnet musizierende Orchester der ‘Kent Opera’ werden von Roger Norrington, der sich noch nicht in seiner Sucht nach Authentizität verheddert hat, sondern schlichtweg Musik macht und so Dramatik und Elegie aufs feinste miteinander verbindet, zu Höchstleistungen angetrieben.
Wir haben es hier mit einem Meisterwerk zu tun, das neben Benjamin Brittens ‘War Requiem’ (übrigens in denselben Tagen entstanden wie ‘King Priam’) das wohl mächtigste und eindrucksvollste Antikriegs-Musikwerk der gesamten klassischen Musikliteratur darstellt. Diese Referenzeinspielung wird zugleich zur Hommage für die ‘Kent Opera’, die 1989 mangels finanzieller Unterstützung von Seiten der unsäglichen Thatcher-Regierung unterging wie das zerstörte Troja.