Das Ensemble ist außerdem bestrebt, selten gespielte Meisterwerke für sich zu entdecken, wie zum Beispiel Présence, Ballet blanc für Klaviertrio von Bernd Alois Zimmermann, das neben Haydns Klaviertrio Nr. 44 und Schuberts Klaviertrio Es-Dur D. 929 auch auf der ersten CD des Ensembles zu hören ist. (Pizzicato-Rezension). Tabea Eppelein hat mit dem Trio folgendes Interview geführt.
Sie haben das Trio Gaspard vor zehn Jahren gegründet. Warum haben Sie sich so lange Zeit mit dem Debüt-Album gelassen?
Wir wollten warten, bis das Trio wirklich viel Konzerterfahrung gesammelt hat und eine echte Identität entwickelt hat. Wir hoffen, dass unsere Art zu spielen einen hohen Wiedererkennungswert hat, und es dauert einfach lange bis man sich innerhalb eines Ensembles gut genug kennt und vertraut, um im Konzert voll ‘auf Risiko’ zu spielen.
Ihr Debüt-Album ist eine vollauf gelungene Live-Aufnahme. Trotzdem ist es mutig, gerade für das Debüt nicht ins Studio zu gehen. Wie kam es dazu?
Zunächst einmal dokumentiert diese Aufnahme unser Debut im wunderbaren Boulez-Saal in Berlin. Dieser Saal ist eine Bereicherung des ohnehin schon unglaublichen Kulturlebens in der deutschen Hauptstadt und es war eine Ehre für uns dort zu spielen. Deutschlandradio Kultur wollte das Konzert mitschneiden und kurz nach dem Konzert trat Andreas Imhoff, der Gründer des Labels Cavi an uns heran und fragte, ob wir uns vorstellen könnten, damit eine Live-CD zu veröffentlichen.
Wie passen die drei Klaviertrios auf Ihrer Debüt-CD zusammen?
Augenscheinlich haben die drei Werke erst einmal nicht so viel miteinander zu tun. Aber genauso wie das Schubert Es-Dur Trio zweifellos eines der zentralen Klaviertrios des 19. Jahrhunderts ist, ist Présence von Bernd Alois Zimmermann für uns mit Sicherheit eines der wichtigsten Trios des 20. Jahrhunderts. Diese Gegenüberstellung gefiel uns sehr, weil wir es generell auch mögen, in unseren Programmen starke Kontraste zu schaffen. So unterschiedlich die Tonsprache dieser beiden Komponisten ist, in beiden Werken gibt es Brüche und unfassbare Abgründe zu erleben – in beiden Werken geht es um Existenzielles. Obwohl weitaus kleiner dimensioniert, wohnt dem Haydn Trio in E-Dur auch eine unterschwellige Dunkelheit inne; im Programm ist das sozusagen unsere Einladung an das Publikum, sich gemeinsam mit uns auf diesen Konzertabend einzulassen.
Zimmermanns Présence, Ballet blanc en cinq scènes ist nicht gerade ein einfaches Stück. Wie war Ihre Herangehensweise beim Einstudieren?
Das Werk ist in vielerlei Hinsicht extrem anspruchsvoll – es hat uns mehr gefordert als alles andere, was wir bisher einstudiert haben. Allein schon das Entziffern der Tönhöhen wird durch Zimmermanns nicht standardmäßige Notationsweise erschwert. Wir mussten in den Proben viel, viel Geduld haben…! Aber selbst bei so einer komplexen Partitur: wenn man akribisch arbeitet und jeden Punkt, jedes Komma und jede Markierung ernst nimmt, irgendwann erschließt sich einem die Musik und man spürt, dass das Ganze irgendwie ‘einrastet’. Zusätzlich hat uns die Arbeit mit der Tänzerin Luka Fritsch ganz entscheidend inspiriert, denn durch die Kombination Musik und Bewegung bekommt das Werk noch ganz neue Aspekte – es wird sozusagen ‘vierdimensional’…
Wie entstand die Idee, dieses Stück zu spielen?
Wir wussten von dem Stück und waren neugierig darauf, und wir haben es also einfach mal auf’s Programm gesetzt… Zufälligerweise passen die literarischen Gestalten, die jeder von uns in dem Stück darstellen muss, irgendwie ganz gut zu uns! 🙂
Haydn hat in seinem Klaviertrio das Klavier herausgestellt, weil es zu seiner Zeit ein eher leises Instrument war. Wie versuchen Sie dem in der heutigen Zeit mit moderneren und lauteren Instrumenten zu begegnen?
Die Frage der Instrumente ist bis zu einem gewissen Punkt wichtig, weil man eine andere Klangvorstellung bekommt, wenn man beispielsweise auf den Fortepianos von Haydns Epoche spielt. Aber im Moment des Konzerts ist es nicht entscheidend auf welchem Instrument man spielt, sondern was man aussagen möchte. Das gilt übrigens auch für das Thema ‘Darmsaiten und alte Bögen’: wir gehen sehr flexibel mit diesem ganzen Thema um, und fänden es langweilig, dogmatisch zu sein.
Was machen Haydns Klaviertrios für Sie trotz ihrer vermeintlichen Einfachheit aus?
Ihr Einfallsreichtum, wie geistreich und klug sie sind, und wie surreal seine Musik oft ist. Das ist ein bisschen wie bei den Bildern von M.C. Escher, man erkennt manchmal erst auf den zweiten, dritten oder vierten Blick, dass das alles ganz merkwürdig ist was einem da vorgegaukelt wird. Wir finden, dass der Genuss von Haydns Musik sich mit jedem Hören erhöht, die Bizarrheit und Surrealität werden offensichtlicher, seine Pointen schärfer und seine Witze absurder. Man glaubt es kaum, aber Haydn war ein Rebell!
Franz Schuberts Klaviertrio Es-Dur hat schon bei Veröffentlichung großes Lob eingeheimst. Inwiefern war es damals ein Vorreiter für spätere Klaviertrios?
Der große Rahmen, die Dimensionen des Stücks und die Art und Weise, wie alle drei Instrumente gleich behandelt werden, sind eindeutig eine Inspiration aus Beethovens Erzherzog- und Op. 70-Trios. Was uns an Schuberts Es-Trio überrascht und was es so einzigartig macht, ist die Art und Weise, wie die Größe der Struktur einem so intimen und persönlichen Geschichtenerzählen gegenübergestellt wird. Es ist interessant festzustellen, wie Schubert die Arbeit niemandem gewidmet hat, zum Beispiel einem Grafen oder einer Gräfin, sondern jedem, der sich daran erfreuen würde – ein so persönlicher Wunsch! Interessanterweise wurde das Trio im selben Monat wie die Winterreise geschrieben, und Sie können hören, wie Schubert in Lyrik und melodischem Schreiben schwelgt, unerwartete Tonarten ein- und einwebt und subtil von Dur nach Moll und umgekehrt verschmilzt. Wann immer wir dieses Trio im Konzert spielen, fühlen wir uns immer auf einer Art Reise mit dem Publikum durch die Wendungen des Lebens. Es ist ein wahrhaft episches Meisterwerk, und wir fühlen uns so glücklich, es im Repertoire zu haben!
Wie schränkt die Corona-Krise Sie derzeit als Trio ein?
Die Corona-Krise hat das Trio definitiv vor eine Herausforderung gestellt, vor allem, weil wir eine Gruppe sind, die viel unterwegs ist. Wir waren besonders traurig, zwei Konzerte in der Wigmore Hall in London verschieben zu müssen, in denen wir einige unserer Lieblingsstücke aufgeführt hätten, darunter eine englische Premiere von Helena Winkelmanns Visitations, die speziell für uns geschrieben wurde. Es machte jedoch auch die Konzerte, die stattfinden könnten, noch spezieller, wie zum Beispiel unsere Zeit beim erstaunlichen Lockenhaus-Festival in Österreich im Juli. Obwohl es für so viele Musiker eine sehr schwere Zeit ist, versuchen wir weiterhin, positiv zu bleiben und die Vorteile zu erkennen, die sich daraus ergeben haben. Wenn man so viel Freizeit in einem normalerweise chaotisch vollen Zeitplan hat, hat man die Möglichkeit, die Dinge ins rechte Licht zu rücken und darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist. Wir kommen noch entschlossener durch, das zu tun, was wir lieben, nämlich gemeinsam Kammermusik zu spielen!