Seit einigen Jahren stehen die Osterfestspiele Baden-Baden ganz Zeichen der Residenz der Berliner Philharmoniker und haben sich damit zu einem der begehrtesten Festivals im europäischen Raum entwickelt. Überhaupt muss man die künstlerische Planung von Intendant Andreas Mölich-Zebhauser loben, der es versteht, immer wieder aufregende und innovative Programme mit den besten Musikern unserer Zeit zu veranstalten. Hier ist Alain Steffens Bericht.
Ein Höhepunkt war dieses Jahr gleich die Eröffnungsvorstellung mit Richard Wagners ‘Tristan und Isolde’ am gestrigen Samstag. Mariusz Trelinskys Neuinszenierung, die in Zusammenarbeit mit der ‘Metropolitan Opera’ aus New York, der Polnischen Nationaloper Warschau und dem ‘China National Center for the Performings Arts Beijing’ stattfand, ist eine der besten Inszenierungen dieses Werkes, das ich den letzten Jahren gesehen habe. Trelinsky setzt seine Interpretation im Milieu der Kriegsmarine an, wo der Admiral Marke ein stark hierarchisch geprägtes, militaristisches Regime mit falscher Männlichkeit und Ehrenkodex führt. Somit erinnert die Inszenierung ein bisschen an Rob Reiners Film ‘Eine Frage der Ehre’ (A few good men) mit Tom Cruise und Jack Nicholson.
Der polnische Regisseur entwickelt seine Geschichte zunächst konsequent und ganz im Sinne der Figuren, so dass sie Wagners Werk sehr ernst nimmt und die Handlung immer in der richtigen Beziehung zu Musik steht. Trelinsky hält sein schlüssiges Konzept aber leider nicht bis zum Schluss durch; nach Tristans Tod hat man den Eindruck, der Regisseur hätte (ähnlich wie Jean-Pierre Ponnelle Anfang der Achtziger Jahre in Bayreuth) nicht mehr genug Zeit gehabt, den Schluss mit der gleichen Logik und Konsequenz durchzuführen. Trotzdem: Trelinskys Inszenierung ist überragend und wir können jedem Opernfreund nur raten, sich noch (leider sehr teure) Karten für die folgenden Aufführungen am 22., 25 und 28. März zu besorgen. Und wer einmal dieses Bühnenbild von Boris Kudlicka mit all seinen optischen Einfällen und Lichtspielen (Bartek Macias, Marc Heinz) gesehen hat, der wird diese düster-graue und doch wunderschöne Inszenierung nie wieder vergessen.
Genauso so aufregend war das Orchesterspiel der Berliner Philharmoniker unter Sir Simon Rattle, der alle Schattierungen dieser Partitur mit einem atemberaubenden Klangrausch voller kammermusikalischer Feinheiten darzustellen verstand. Großes Lob für Rattle auch weil er für die Sängern ein einfühlsamer Begleiter war. Die beiden Hauptpartien waren mit Eva-Maria Westbroek (Isolde) und Stuart Skelton (Tristan) hervorragend besetzt. Bewundernswert, mit welcher leichtigkeit sich Eva-Maria Westbroek durch diese Partie sang und zum Schluss noch den nötigen Atem und Glanz für einen ergreifenden Liebestod besaß. Stuart Skelton ist es hoch anzurechnen, dass er sich nicht schonte und die Partie auch in den beiden ersten Akten mit größter Präsenz gestaltete. Selbst im für einen Tenor mörderischen dritten Akt suchte Skelton immer nach einer gesanglichen Linie und vermied es, wie andere Tristan-Sänger, sich mit Geschrei und Gestöhn durch die Tristan-Agonie zu mogeln. Dass dabei dann nicht jeder Ton saß, ist nur verständlich und soll auch nicht kritisiert werden.
Auch die übrige Besetzung war hochkarätig: Michael Nagy sang einen stimmpotenten Kurwenal, Sarah Connelly überzeugte als Brangäne und Stephen Milling erntete viel Beifall für seinen Marke. Simon Stricker (Steuermann), Thomas Ebenstein (Seemann und Hirt) sowie Roman Sadnik als ausgezeichneter Melot rundeten diese exzellente Sängerbesetzung ab.
Die Osterfestspiele Baden-Baden finden noch bis zum 28. März statt und locken u.a. mit Beethovens 9. Symphonie mit den Berliner Philharmonikern unter Simon Rattle (21.3.) und vielen anderen reizvollen Konzerten.
Informationen unter www.festspielhaus.de