Wenn am Schluss von Ravels ‘La Valse’ das Pariser Publikum in frenetischen Jubel ausbricht, kann ich meine Stimme zwar nicht heraushören, aber ich weiß genau, dass ich damals mitgejubelt habe. Bernstein in diesem Stück zu hören, diesen Triumpf der Sensualität zu erleben, war unvergesslich, genau wie der ‘Boléro’. Beide Liveaufnahmen sind in dieser prächtigen Warner-Box zu hören. Beide zeigen, wie sich das ‘Orchestre National de France’ unter diesem Dirigenten in einen sonst längst nicht so geschmeidigen und dienstbereiten Klangkörper verwandelte.
Das Konzert mit Bernsteins ‘On the Waterfront’ und den Symphonischen Tänzen aus ‘West Side Story’ habe ich zwar nicht miterlebt, aber der Livemitschnitt der auf der siebten CD dieser Box zu hören ist, ist grandios in seinem kommunikativen Schwung.
Auf geradezu magische Weise harmonieren Bernstein und die Musiker des ONF auch in der ‘Symphonie Fantastique’, die als Studioaufnahme für EMI produziert wurde. Es ist eine emotional-leidenschaftliche und grandios gespielte Aufnahme, eine der besten, die es von dieser Symphonie gibt.
Dasselbe gilt für die legendäre und schon öfters wiederaufgelegte Einspielung von ‘Harold en Italie’, eine der stimmungsvollsten und leidenschaftlichsten Aufnahme die je von diesem Werk gemacht wurden. Der Solist Donald McInnes spielt hervorragend.
Die dritte CD ist Darius Milhaud gewidmet, mit sehr inspirierten und raffiniert gespielten Versionen von ‘La création du monde’ und ‘Le boeuf sur le toit’. Dazwischen sind Auszüge aus ‘Saudades do Brasil’ zu hören, die Milhaud nach einer Reise nach Lateinamerika schrieb. Bernsteins Sinn für Farben, fürs Sinnliche wie fürs Rhythmische wirkt Wunder in diesem Werk, und man bedauert, dass er nur vier Stücke aus dieser Suite aufgenommen hat.
Mit Mstislav Rostropovich hat Bernstein – was für gegensätzliche Charaktere! – Schumanns Cellokonzert aufgenommen. Bernstein hält sich zurück und überlässt Rostropovich weitgehend das Feld. Dennoch ist die Orchesterbegleitung sehr gut und setzt gelegentlich auch eigene Akzente. Rostropovich ist hinreißend kantabel und ausdrucksstrak im langsamen Satz, prächtig virtuos im Finale.
Der Höhepunkt der CD ist Bloch’s ‘Schelomo’, das hier in einer der besten Aufnahme dieser Komposition erklingt. Die emotionale Durchdringung lässt einen den Atem anhalten. Magisch!
Bernstein liebte es, den Stier bei den Hörnern zu fassen, und so dirigierte er in Paris liebend gerne französische Musik. Davon zeugt eine ganze Ravel-CD mit einer tiefschürfenden Darbietung von ‘Shéhérazade’ mit der legendären Marilyn Horne, eine sehr spontane Aufführung des Klavierkonzerts in G, wo nicht immer alles zusammen ist, aber durchgehend sehr spannend. Boris Belkin ist der Solist in ‘Tzigane’. Sein Spiel ist nicht besonders sauber, und das Zusammenspiel mit dem Orchester funktioniert nicht sehr gut. Es ist dies die einzige wirklich unbefriedigende Aufnahme in dem ganzen Set.
Alexis Weissenberg war stets ein umstrittener Pianist, und an seiner Aufnahme des Dritten Klavierkonzerts von Rachmaninov mit Bernstein scheiden sich die Geister. Die beiden ersten Sätze werden eher langsam gespielt, der erste dabei fein differenziert und nett verspielt. Der letzte Satz ist hoch virtuos, aber zugleich wuchtig. Es gibt sicher Besseres, aber im Großen und Ganzen ist die Aufnahme nicht uninteressant. Das sicherlich Interessanteste auf dieser CD sind aber ganz gewiss die Auszüge aus den von Bernstein in gutem Französisch geleiteten Proben zu den Ravel-Stücken, die auf den anderen CD’s zu hören sind und die viel über die Faszination aussagen, die die Aufnahmen auf den Hörer ausüben.