Gleich in der ersten Arie aus Verdis Macbeth franst die Stimme von Veronika Dzhioeva aus. Und auch im weiteren Verlauf der CD gibt es einiges, was forciert klingt, die Vokallinie ist nicht immer perfekt und manchmal bringt sie das Vibrato nicht optimal unter Kontrolle. Aber im Großen und Ganzen gefällt mir diese CD doch recht gut.
Veronika Dzhioeva hat ein sehr charakteristisches Timbre mit einer gut projizierten Höhe, einer stabilen und warmen Mittelage, einer satten Tiefe und mehr Farben als viele ihrer Kolleginnen. Vor allem aber überzeugt ihr Darstellungsvermögen. Sie gibt jeder der in diesem Programm vorkommenden Arien und jeder Figur den richtigen Charakter, ob es sich nun um Aida, Cio-Cio San, Leonora, Maddalena, Amelia oder Lady Macbeth handelt.
Die vierzigjährige süd-ossetische Sängerin ist in dieser Hinsicht einer Netrebko überlegen, weil sie genau weiß, was sie singt sowie Gefühle und Regungen in einer leidenschaftlichen und persönlichen Gestaltungskraft sehr überzeugend und auch packend zum Ausdruck bringt.
Es ist schon erstaunlich, dass diese reiche Stimme heute weniger bekannt ist als sie es verdient. Die in Georgien geborene Sopranistin wurde in St. Petersburg bei Tamara Nowitschenko ausgebildet und besuchte Meisterkurse bei Elena Obraztsova, Joan Sutherland und Luciano Pavarotti. 2005 ging sie als Preisträgerin aus dem Maria-Callas-Wettbewerb in Athen hervor. Schon 2004 hatte Veronika Dzhioeva als Mimi in Puccinis La Bohème debütiert. Sie scheint ihre Karriere vor allem am Moskauer Bolschoi, am St. Petersburger Mariinsky-Theater und in Novosibirsk zu machen. Auf CD ist sie neben dieser Recital-Platte nur in Shchedrins Boyarina Morozova bei Wergo zu hören.
Begleitet wird die Sängerin hier von dem akkurat spielenden Kaunas City Symphony Orchestra unter dem inspiriert dirigierenden Constantine Orbelian. Die Klangqualität der Aufnahme ist vorzüglich. Opernfreunde werden sich also an einem attraktiven Programm mit vielen bekannten Arien durchaus erfreuen können.