Diese Opéra lyrique Fortunio wurde Jahre lang an der Opéra Comique in Paris aufgeführt, bevor sie 2009 ihre Wiederaufführung fand und letztes Jahr aufgenommen wurde.
Jacqueline, die junge Frau des alten André, erliegt dem Charme des Kapitäns Clavaroche. Die Liebenden benutzen den jungen Fortunio, Andrés Notariatsangestellten, um den Verdacht des Ehemannes von ihnen abzulenken. Aber Fortunio ist in Jacqueline verliebt, und Jacqueline wird seine Liebe am Ende erwidern. Die Oper mit eigentlich fünf Akten wurde nach der Erstaufführung um den letzten, einen Ball, gekürzt. So ist sie auch hier zu erleben.
Messager unterteilt das Werk in viele kleinere Musiknummern, trotzdem gelingt es ihm, den Fortgang der Komödie zu pflegen. Die Musik unterstützt den Text, indem sie sich zurückhält und nicht in vordrängt, vieles nur angedeutet. Schon Gabriel Fauré äußerte sich lobend über die « erlesene Geschmacklichkeit“ der Musik und « …die flinke, reiche, überschwängliche melodische Erfindung.“ Es gelingt dem Komponisten, gleichermaßen ironisch wie einfühlsam so zu dosieren, dass es nie karikierend wirkt und es spannend bleibt, aber nicht zu dramatisch wird.
Zu sehen ist eine makellose Inszenierung. Die Regie von Denis Podalydès führt die Personen überzeugend lebendig, was diese umwerfend umsetzen. Zudem bricht Podalydès im letzten Akt dank mehr Zeitlosigkeit mit der Bühnenhaftigkeit des Stücks und lässt endlich mehr Raum für die Fantasie. Von der verschneiten, nebligen Landschaft über das für das Varieté so charakteristische Schlafzimmer bis hin zur Parade entführt Éric Ruf uns mit seinen Bühnenbildern in eine Atmosphäre des späten 19. Jahrhunderts, perfekt zum Text. In einer leicht pompösen Umgebung, unter einer Vielzahl von Vergoldungen, die Decke und Wände schmücken, leben die Figuren. Man mag diese Inszenierung und das Bühnenbild zu sehr in seiner Zeit verwurzelt finden und zu wenig inspiriert. Oder eben auch schön, fast ein wenig märchenhaft entspannt. Dazu passen auch die zeitgerechten Kostüme von Christian Lacroix.
Die rein französische Besetzung auf der Bühne besteht aus echten Sänger-Schauspielern. Alle zeigen eine sensible Vertiefung in ihre Rollen, so dass sie lebensnah agieren. Doch sie glänzen auch gesanglich und realisieren ihre Partien überwiegend mit einem geschmeidigen Parlando.
Fortunio, Cyrille Dubois, interpretiert die Titelrolle perfekt. Sein Gesang ist klar, die Stimme emotionsreich, seine Diktion tadellos. Die vielfältigen Gefühle, die diesen genialen jungen Mann überwältigen, der die Qualen der Liebe entdeckt, bewegen. Sein Timbre blüht in der Glut der Liebe. Er führt Linien mit der Sicherheit einer beherrschten Technik. Hohe Töne leuchten und das Pianissimo ist exquisit zart.
Anne-Catherine Gillet gibt eine ebenso zurückhaltende wie emanzipatorische Jacqueline, die von Fortunio allmählich aufgerüttelt wird. Beim Wandern von Frivolität zur wahren Liebe verlässt die Stimme ihre Leichtigkeit, um voller, fleischiger, reichhaltiger zu werden. Die Höhen sind manchmal scharf, manchmal samtig.
Franck Leguérinels Le Maître André serviert mit seinem komödiantischen Potenzial den gehörnten Ehemann. Jean-Sébastien Bou porträtiert einen lässigen Kapitän Clavaroche mit selbstbewusster und stolzer Baritonstimme, deren Wildheit weder die Autorität noch die stimmliche Sensibilität verbirgt. Ebenso verführerisch werden die Nebenrollen dargestellt.
2019 saß das Orchestre des Champs-Elysées mit historischen Instrumenten unter der inspirierten Leitung von Louis Langrée im Graben. Die großartig orchestrierte Musik wird von ihm perfekt ausbalanciert. Sie verliert auch nicht an Kraft und entwickelt eine feine Rundung. Er vereint die in der Partitur angelegte Lebendigkeit mit der romantischen Tiefe.