Die Pianistin, die sich hier für Scriabin einsetzt, verdient Beachtung. Auf ihrer (leider schlecht) leserlichen Homepage erfährt man etwas mehr über die Südkoreanerin Yu Jung Yoon, die, dank ihrer Geschwister, schon in sehr jungen Jahren ihre Faszination für das Klavier entdeckte und danach als eine der jüngsten Schülerinnen überhaupt am St. Petersburger Konservatorium angenommen wurde. Dort führte ihr Lehrer Vasily A. Kalmikov sie in die Musikwelt von Scriabin ein. Sie schloss ihr Studium mit höchster Auszeichnung ab und arbeitete danach in Deutschland mit Vladimir Krainev und Roland Pröll, sodann noch vier Jahre in Paris mit Henri Barda zusammen. Schon allein daran erkennt man, dass wir es hier mit einer ernsthaften Musikerin zu tun haben, die ‘immer strebend sich bemüht’.
So ist denn auch ihre CD mit Werken des immer noch nicht auf seinen wahren Wert eingeschätzten Alexander Scriabin überzeugend. Zwar sind die Préludes op. 11 inzwischen zumindest teilweise ins allgemeine Repertoire angekommen, doch erst eine Gesamtaufnahme, wie die hier vorliegende, macht deutlich, wie vielseitig und reichhaltig diese Klaviermusik ist, zumal, wenn sie mit einem so differenzierten, farbigen Spiel und so nuancen- und variationsreich, dargeboten wird wie hier. Jede dieser Miniaturen wird eine Kostbarkeit für sich. Virtuosität und Sensibilität charakterisieren diese Interpretation, die ohne Showeffekte daherkommt und sich ganz auf den musikalischen Ausdruck konzentriert.
Konzentration braucht es auch, um die 2. Sonate in gis-Moll, op. 19, genannt ‘Sonate-Fantaisie’, in zwei Sätzen: Andante und Presto, die ‘Eindrücke verschiedener Meeresstimmungen’ wiedergibt, dixit Scriabin selbst, nicht ausufern zu lassen. Dies gilt besonders für das Presto, das ein ‘stürmisch bewegtes Meer’ deuten soll. Hier läuft der Interpret Gefahr, entweder zu wenig ‘stürmisch’, demnach behäbig zu wirken, oder aber zu schnell und damit zu oberflächlich zu sein. Yu Jung Yoon erreicht in ihrem Spiel ein erstaunliches Maß an Selbstbeherrschung, das eine ‘goldene Mitte’ findet.
Auch in der Sonate Nr. 5 in Fis-Dur, op. 53, der letzten, die der Komponist 1907 schuf und die geistig eng mit dem ‘Poème de l’Extase’ zusammenhängt, lässt es die junge Pianistin nicht auf Effekthascherei ankommen, selbst wenn die hier sehr wohl möglich wäre, schon durch die Überbetonung der Triller des Prologs und durch die unstete Mischung von Zurückhaltung und klanglichen Ausbrüchen im Ablauf des Werks. Vielmehr gelingt es Yu Jung Yoon, das Musikalische in den Vordergrund zu bringen, die Emotionen während des Ablaufs zu zügeln, um dann den Abschluss der Sonate ‘accelerando’ umso eindrucksvoller zu gestalten, zugleich aber auch ihre Virtuosität in dieser auch aufnahmetechnisch überzeugenden Einspielung eindrucksvoll unter Beweis zu stellen.
Pairing deep musicality and a perfect sense of self control with a technically outstanding playing, Yu Jung Yoon is an excellent performer in this attractive Scriabin program.