Bei dieser Einspielung sollte man ein Vorwort gesellschaftspolitischer Natur vorschieben. Die Oper ‘Das Schloss Dürande’ komponierte der Schweizer Komponist Othmar Schoeck 1943 im Auftrag der deutschen Nationalsozialisten. Wie kann also der Umgang mit dem Werk heute noch möglich sein?
Das Werk basiert auf der 1836 von Joseph von Eichendorff verfassten Novelle ‘Das Schloss Dürande’. Es behandelt die nicht standesgemäße Liebesbeziehung zwischen einem Adeligen und einer Förstertochter. Der Bruder der Förstertochter sieht die Familienehre verletzt und wird schließlich zum Ehrenmörder, bevor er den Freitod wählt. Zusätzlich hat Eichendorff die Handlung mit dem Gang der Französischen Revolution verknüpft. Über 100 Jahre nach der Entstehung hat Schoeck das Sujet aufgegriffen und beauftragte den Deutschen Hermann Burte, der das von Anfang umstrittene Libretto schuf. Burte wurde eine „ausgeprägte deutschnationale Einstellung“ bescheinigt. Außerdem strotzt sein Libretto auch von sprachlichen Unzulänglichkeiten und Plattheiten. Auch der Komponist war über eine gewisse Anpassung in diese Richtung nicht völlig erhaben. Und er liebäugelte damit, in Deutschland erfolgreich zu sein, so dass er sich arrangieren musste. Man kann aber durchaus in seiner Musik auch eine versteckte Konnotation des Gedankenguts der Auftraggeber sehen, wie sie auch Shostakovich gegenüber den Kommunisten nutzte. Dass der Stoff mit seinem tragischen Ende nicht zum Jubeln Anlass bietet, war sicher nicht im Sinne der Nationalsozialisten.
Anlässlich der konzertanten Aufführung und der Einspielung hat ein Forschungsprojekt der Berner Hochschule für Musik es sich zur Aufgabe gemacht, alle bedenklichen Stellen und nationalsozialistisch eingefärbten Gedanken zu entfernen und die Oper zu ‘dekontaminieren’. Der Umfang der Eingriffe in das Libretto erforderte schließlich eine textliche Neufassung durch Francesco Micieli, der dazu Texte aus der Novelle von Eichendorff verwendete. Die danach notwendige musikalische Anpassung erfolgte durch Mario Venzago. Auch diese Eingriffe mussten umfangreich sein, da nicht nur einzelne Silbenanzahlen verändert wurden, sondern ganz neue Textpassagen hinzukamen. Diese lösten auch im Personal Änderungen aus, was neue Zuordnungen der Stimmen erforderlich machte. So werden die Anpassungen mit einem Satz von 60 % angegeben.
Für weitere Gedanken bieten Beiheft und Internet Fundstellen. Zum Thema Ehrenmord lassen sich heutzutage natürlich auch noch andere Bezugspunkte denken.
Diese längste und letzte Oper von Schoeck im spättonalen Gewand zieht einen mit ihrem musikalischen Sog in ihren Bann. Das Werk hat eine Strenge und Konsequenz, die prägend ist und den depressiven Charakter des Werkes antreibt. Auch wenn seine Musiksprache Jahrzehnte hinter der Entwicklung verharrte, handelt es sich um eine sehr intensive und farbreiche süffige Partitur.
Den Mitwirkungen dieses ungeschminkten, also nicht zur Ausmerzung kleiner Stellen nachbereiteten Konzertmitschnitts gelingt es sehr überzeugend, wenn nicht gar maßstabsetzend, diese Musik zum Leben zu erwecken. Das Orchester glänzt mit feurigem Spiel, das aber die Singbarkeit unterstützt und die Sänger nicht überfordert. Feine Soli kammermusikalischer Ecken und kraftvolle Passagen größerer Orchestergruppen vermitteln die gesamte Breite der Finessen der Musik beeindruckend.
Die vielköpfige Riege der singenden Solisten agiert ohne Fehl und Tadel, von kaum hörbaren Wacklern der Konzertsituation abgesehen. Mit deutlicher Artikulation und unangestrengt freier Entfaltung der Stimmen können alle glänzen. Der Chor passt sich dem nahtlos an.
Ob diese Neufassung der Oper einen Platz im regulären Betrieb verschaffen wird, wird sich zeigen. Wer neugierig ist, mag zunächst ab März die szenische Uraufführung dieser Fassung in Meiningen auf der Bühne verfolgen.