Thomas de Hartmann Rediscovered; Thomas de Hartmann: Violinkonzert op. 66 + Cellokonzert op. 57;  Joshua Bell, Violine, INSO-Lviv Symphony Orchestra, Dalia Stasevska, Matt Haimovitz, Cello, MDR Sinfonieorchester Leipzig, Dennis Russell Davies; # Pentatone PTC5187076; Aufnahmen 01.2024, 05.2022, Veröffentlichung 16.08.2024 (65'52) - Rezension von Remy Franck

Ein beachtliches Künstleraufgebot gibt es für dieses Album mit dem Cello- und dem Violinkonzert des ukrainischen Komponisten Thomas de Hartmann (1884-1956), der zu Lebzeiten sehr geschätzt war und in den 1930er und 1940er Jahren in Frankreich eine erfolgreiche Karriere machte. Nach seinem Tod (in den USA) ist seine Musik in Vergessenheit geraten und wird erst in jüngster Zeit neu belebt. Sieht man von privaten Veröffentlichung auf LP durch die Gattin des Komponisten ab, handelt es sich hier um Ersteinspielungen der beiden Konzerte.

Das Violinkonzert von 1943 wurde in Warschau mit Joshua Bell und Dalia Stasevska als Dirigentin des INSO-Lviv Symphony Orchestra aufgenommen. Den ersten Satz spielen sie energetisch und mit größter Farbenpracht.

De Hartmanns Partitur hat Wurzeln u.a. in der Klezmermusik und ist ein musikalisches Spiegelbild seiner Verzweiflung über die Besetzung der Polens und der Ukraine durch die Nazi-Armee und insbesondere über das Schicksal der Juden. Das zeigt sich u.a. im langsamen Satz, der « an einen Geiger erinnert, der durch die vom Krieg verwüstete ukrainische Steppe wandert und seine makabren und traurigen Lieder spielt », wie De Hartmanns Frau Olga einmal schrieb. Der Satz ist voller harmonischer Überraschungen und ungemein reich. Der Klezmer-Einfluss ist auch im 3. Satz, einem Menuet fantasque, unüberhörbar, ehe das virtuose, tänzerische, gleichzeitig sehr atmosphärische und auch leidenschaftliche Finale das Konzert mit stupendem Elan beendet. Dass ein derart großartiges Werk jahrzehntelang nicht gespielt wurde, ist unglaublich. Es ist ein Meisterwerk, ungemein originell und packend von der ersten bis zur letzte Note. Es mag sein, dass etliche bis dato kaum bekannte Werke, die heute aufgenommen werden, nicht unbedingt ins gängige Repertoire gehören, aber dieses hier ist von einer solchen Qualität, dass es gleichberechtigt neben vielen anderen bedeutenden Konzerten des 20. Jahrhunderts stehen sollte.

Das Cellokonzert wurde 1935 komponiert und 1938 vom Boston Symphony Orchestra unter Serge Koussevitsky uraufgeführt. Obwohl De Hartmann selbst kein Jude war, fühlte er sich den jüdischen Traditionen sehr verbunden, und das Stück ist stark von der jüdischen musikalischen Folklore beeinflusst. Thematisch verbindet es die Verfolgung der Juden durch die Nazis mit De Hartmanns eigenen Erinnerungen an lokale jüdische Volksmusiker in seinem Heimatland Ukraine.

Für das Cellokonzert zeichnen Matt Haimovitz und das MDR-Sinfonieorchester Leipzig unter der Leitung von Dennis Russell Davies verantwortlich. Sie liefern von dieser großartigen musikalischen Freske eine faszinierende Interpretation, die den ganzen Reichtum und die Einfallskraft des Komponisten offenbart. Man kann sich an diesem Konzert mit seinen vielen Motiven einfach nicht satthören. Besonders schön ist der langsame Mittelsatz, der wie ein tief bewegendes Gebet klingt, zwischen resignativer Trauer und leichtem Flehen.

There is a remarkable line-up of artists for this album with the cello and violin concertos by the Ukrainian composer Thomas de Hartmann (1884-1956), who was highly regarded during his lifetime and had a successful career in France in the 1930s and 1940s. After his death (in the USA), his music fell into oblivion and has only recently been revived. Apart from private releases on LP by the composer’s wife, these are the first recordings of the two concertos.

The Violin Concerto from 1943 was recorded in Warsaw with Joshua Bell and Dalia Stasevska conducting the INSO-Lviv Symphony Orchestra. They play the first movement energetically and with the greatest colorfulness.

De Hartmann’s score has clearly roots in klezmer music, and is a musical reflection of his despair over the occupation of Poland and Ukraine by the Nazi army and, in particular, the fate of the Jews. This can be heard above all in the slow movement, which is « reminiscent of a violinist wandering through the war-ravaged Ukrainian steppe and playing his macabre and sad songs », as De Hartmann’s wife Olga once wrote. The movement is full of harmonic surprises and incredibly rich. The klezmer influence is also unmistakable in the third movement, a Menuet fantasque, before the virtuoso, dance-like, atmospheric and passionate finale brings the concerto to a close with stupendous verve. It is incredible that such a magnificent work has not been played for decades. It is a masterpiece, incredibly original and gripping from the first to the last note. It may be that a number of hitherto little-known works that are recorded today do not necessarily belong in the standard repertoire, but this one is of such quality that it should stand on an equal footing with many other important concertos of the 20th century. The Cello Concerto was composed in 1935 and premiered in 1938 by the Boston Symphony Orchestra under Serge Koussevitsky. Although De Hartmann himself was not Jewish, he felt very close to Jewish traditions and the piece is strongly influenced by Jewish musical folklore.  Thematically, it combines the persecution of Jews in Nazi Germany with De Hartmann’s own memories of local Jewish folk musicians in his native Ukraine.

Matt Haimovitz and the MDR Symphony Orchestra Leipzig under the direction of Dennis Russell Davies are the performers of the cello concerto. They deliver a fascinating interpretation of this magnificent musical fresco, revealing all the composer’s richness and imagination. It is simply impossible to get enough of this concerto with its many motifs. The slow middle movement is particularly beautiful, sounding like a deeply moving prayer, somewhere between resigned sadness and a gentle plea.

  • Pizzicato

  • Archives