Ludwig van Beethoven: Symphonie Nr. 9 + Chorfantasie op. 80; Christiane Karg, Sophie Harmsen, Werner Güra, Florian Boesch, Kristian Bezuidenhout, Zürcher Sing-Akademie, Freiburger Barockorchester, Pablo Heras-Casado; 2 CDs Harmonia Mundi; HMM902431.32; Aufnahme 11/2019, Veröffentlichung 06/2020 7919) - Rezension von Remy Franck
Pablo Heras-Casados Einspielung der Neunten Symphonie ist wohl einmalig in ihrer inneren Ruhelosigkeit und Beweglichkeit. Gewiss, der Dirigent wählt schnelle Tempi, aber das Tempo ist ja immer nur ein Element einer Interpretation. Im ersten Satz von Heras-Casados Neunter gibt es ein unerbittliches Drive und eine treibende Rhythmik, die in Verbindung mit einer unerhörten Klarheit des musikalischen Geschehens dieses sprudelnde, ruhelose Musizieren ergeben, das diesen Satz so spannend werden lässt. Im zweiten Satz, der bei vielen Dirigenten so unmäßig sprunghaft wird, glättet der Dirigent die Peaks, ohne die Beweglichkeit der Musik im Vorwärtsdrängen einzudämmen. Kein Banjo-Springen also, sondern ein fließendes Musizieren, das den Hörer nicht enerviert.
Ein ungemein spannungsvolles und erwartungsvolles und in der Transparenz neu gewichtetes Adagio führt zum leicht und pathosfrei musizierten Finalsatz, in dem die Freude mit einer phänomenalen Ursprünglichkeit gefeiert wird. Auch in diesem Vokalsatz sind die Transparenz und der damit verbundene Detail- und Farbenreichtum absolut erstaunlich. Die Zürcher Sing-Akademie sowie die Solisten singen mit viel Leichtigkeit, und das Freiburger Barockorchester zeigt hier wie in den drei ersten Sätzen sein hohes Niveau.
Der ganze Verlauf der Neunten macht so Sinn, mit einer ruhelos drängenden Vorbereitung des Finales, das, obwohl ohne Pathos, durchaus starke emotionale Momente enthält.
Die auf der zweiten CD zu hörende Chorfantasie zieht mit der Exzellenz der Symphonie gleich. Bezuidenhout spielt das einleitende Klaviersolo fantasievoll und mit wie improvisatorisch wirkender Freiheit und er überzeugt nicht weniger im Dialog mit dem Orchester. Angenehm schlank und unpathetisch wirkt auch der Schlussteil mit einer wiederum exzellenten Leistung des Chores und des Orchesters.
Pablo Heras-Casado’s recording of the Ninth Symphony is probably unique in its inner restlessness and agility. Of course, the conductor chooses fast tempos, but the tempo is always only one element of an interpretation. In the first movement of Heras-Casado’s Ninth, there is a relentless drive and a dynamic rhythm, which, in combination with an unheard clarity, results in that effervescent, restless music-making that makes this movement so exciting. In the second movement, which becomes so excessively uneven with many conductors, the conductor smoothes out the peaks without limiting the music’s agility. No banjo jumping, then, but rather a flowing music-making that does not exhaust the listener.
An incredibly tense and expectant Adagio, newly weighted in transparency, leads to the final movement, which is played lightly and pathos-free. The joy is celebrated with a phenomenal immediacy. In this vocal movement, too, the transparency and the associated richness of detail and colour are absolutely amazing. The Zurich Sing-Akademie as well as the soloists sing with great ease and the Freiburg Baroque Orchestra shows its high level here as in the first three movements.
The whole concept of Heras-Casado’s Ninth makes sense, with a restless, urgent preparation for the finale, which although without pathos, has strong emotional moments.
On the second CD the Choral Fantasy equals the excellence of the symphony. Bezuidenhout plays the introductory piano solo imaginatively and with what seems like improvisational freedom, and he is no less convincing in his dialogue with the orchestra. The final section is pleasantly slender and unpathetic, with another excellent performance by the choir and orchestra.