Dass Salieri sein Requiem für seine eigene Beerdigung komponierte, bei der es dann auch tatsächlich aufgeführt wurde, ist bekannt. Auch Mozart hat bei der Komposition seines Requiems an sein eigenes Ende gedacht. Dass beide Musiker mit ihren Sterbeämtern für sich selbst einen besonderen Punkt erreicht haben und großartige Kompositionen geschaffen haben, gilt für beide. Wobei das unvollendete Werk von Mozart um Lichtjahre bekannter und beliebter ist und auch das gewisse Mehr an Genialität versprüht, ist auch richtig.
Dabei hat Salieris Requiem seinen Charme. Für Chor und mit italienischer Melodienseligkeit geschrieben, hat es effektvolle Partien wie das Dies irae, das schon die spätere Vertonung durch Verdi ahnen lässt. Beachtenswert sind auch die Behandlung der komplexen Fugen und die harmonische Geschlossenheit des Werkes.
Diese Komposition von Salieri kann, weil sie kaum bekannt ist, nicht die wiedererkennbaren Melodien liefern, wie es sie Mozart bietet. Lebhafte und besinnliche Chorsätze und dazu die passende Musik bieten ein geschlossenes Bild eines feierlichen Momentes. Die Interpreten gestalten das Werk sehr ansprechend und mit überzeugender Zuwendung. Auch wegen des Mangels an Vergleichsmöglichkeiten bietet diese Interpretation eine lohnende Aufnahme.
Für das Requiem von Mozart gibt es dagegen unzählige Einspielungen. Zu diesen lassen sich grundsätzlich andere Interpretationsansätze feststellen. Gleich der einleitende Introitus wird hier sehr zügig formuliert. Aus dem gewählten Tempo darf man schließen, dass Niquet in Vierteln dirigiert. Dadurch hat dieser Satz eine Geschwindigkeit, die man eher als Andante denken würde. Die Tempobezeichnung lautet aber Adagio, was eine Stufe langsamer ist. Viele Dirigenten schlagen im Introitus auch Achtel, um die Einleitung ruhevoll, was Adagio auch bedeutet, zu gestalten. Niquet entgeht der Gefahr, das Stück zu zerfasern und in Erstarrung abzugleiten. Auch gelingt der Tempowechsel zum schnelleren Teil, also dem Allegro des Kyrie, in einer natürlich klingenden Überleitung. Jedoch verliert der Satz bei der flüssigeren Lesart etwas von seinem Weihevollen, auf die Situation einstimmenden Charakter.
Auch im Übrigen klingen die Tempi flott. Das hat im Hinblick auf manche andere Sicht, die wie zähfließende Lava klingt, manchen Vorteil. Doch vermisse ich dabei auch die Zeit, um Luft zu holen und sich in Gedanken zu versenken.
Dazu kommen hin und wieder kleine Ungenauigkeiten. Beispielsweise im Rex tremendae der Sequenz stimmt einmal die Koordination im Orchester nicht. Im Recordare wirkt das Tempo ein wenig gehetzt, auch die Sopranistin scheint eher zu folgen als ihr Tempo zu singen. Im Dies irae und im Confutatis lässt Niquet Wucht zeigen, aber hält diese im Zaum, was auch wieder am Tempo liegen kann. Im Lacrimosa, also dem tränenreichen Satz, führt das zügige Tempo eher zu einem freudigen als einem trauernden Eindruck. Insgesamt scheint Niquet übertriebene Effekte im Sinne einer romantischen Sicht vermeiden zu wollen.
Das Domine Jesu des Offertoriums erhält einen beschwingten Stil, bei dem man auch den Zusammenhalt in den fugierten Teilen loben muss. Insbesondere auch vor der Problematik der etwas halligen Akustik des Aufnahmeortes, die manchmal an der Klarheit knabbert. Im abschließenden Lux aeterna klingt der Chor nicht mehr immer unisono, was an mangelnder Konzentration am Ende eines Konzertes liegen mag. Die Solisten bieten erfreuliche Leistungen, ohne herauszustechen.
Diese Interpretation des Requiems von Mozart bietet eine Reihe von interessanten neuen Perspektiven. Diese mögen nicht alle jedem gefallen, aber hörenswert sind sie. Immerhin kann sich jeder Hörer daran ereifern oder auch seine gewohnten Hörweisen neu einordnen. Salieri pflegte seinen katholischen Glauben weit mehr als Mozart. Aber sie verband der gleiche Glaube an eine göttliche glückliche Unsterblichkeit und vor diesem Hintergrund schreiben beide auf ihre unterschiedliche Weise jeweils ihr Requiem.
It is well known that Salieri composed his Requiem for his own funeral, at which it was actually performed. Mozart, too, was thinking of his own end when he composed his Requiem. That both musicians reached a special point for themselves with their death offices and created great compositions is true for both. Whereby the unfinished work of Mozart is light years better known and more popular and also radiates the certain more genius, is also correct.
Yet Salieri’s Requiem has its charms. Written for choir and with Italian melodic bliss, it has effective parts like the Dies irae, which foreshadows Verdi’s later setting. Also noteworthy are the treatment of the complex fugues and the harmonic unity of the work.
This composition by Salieri, because it is little known, cannot provide the recognizable melodies that Mozart offers. Lively and contemplative choral movements and music to match offer a cohesive picture of a solemn moment. The performers shape the work very appealingly and with convincing devotion. Also because of the lack of comparison, this interpretation offers a worthwhile recording.
In contrast, there are countless recordings of Mozart’s Requiem. With respect to these, fundamentally different interpretative approaches can be discerned. Right from the beginning, the Introit is formulated very quickly. From the tempo chosen, one may conclude that Niquet conducts in crotchets. As a result, this movement has a speed that one would tend to think of as Andante. However, the tempo marking is Adagio, which is a step slower. Many conductors also beat eighth notes in the Introit to make the introduction restful, which is what Adagio also means. Niquet escapes the danger of fraying the piece and slipping into torpor. Also, the tempo change to the faster part, that is, the Allegro of the Kyrie, succeeds in a natural-sounding transition. However, in the more fluid reading, the movement loses something of its consecratory character, attuned to the situation.
For the rest, the tempos sound brisk, too. This has some advantage with regard to some other view, which sounds like viscous lava. But I also miss the time to take a breath and to sink into thoughts.
In addition, there are small inaccuracies now and then. For example, in the Rex tremendae of the sequence, the coordination in the orchestra is not right. In the Recordare the tempo seems a bit rushed, also the soprano seems to follow rather than sing her tempo. In the Dies irae and Confutatis, Niquet allows force to show, but keeps it in check, which again may be due to the tempo. In the Lacrimosa, that is, the tearful movement, the brisk tempo leads to a joyful rather than a mournful impression. Overall, Niquet seems to want to avoid exaggerated effects in the sense of a romantic view.
The Domine Jesu of the Offertory is given a buoyant style in which one must also praise the cohesion in the fugal sections. Especially also before the problem of the somewhat reverberant acoustics of the recording venue, which sometimes nibbles at the clarity. In the concluding Lux aeterna, the choir no longer always sounds in unison, which may be due to lack of concentration at the end of a concert. The soloists offer pleasing performances without standing out.
This interpretation of Mozart’s Requiem offers a number of interesting new perspectives. These may not all appeal to everyone, but they are worth hearing. After all, any listener can get excited about it or even reclassify their usual ways of listening. Salieri cultivated his Catholic faith far more than Mozart. But they were united by the same belief in a divine happy immortality, and it is against this background that they each write their Requiem in their own different way.