Wenn die Szene Neuer Musik in Frankreich lange den elitären Richtungen um Boulez und der ‘Musique spectrale’ (z.B. Tristan Murail) vorbehalten schien, haben sich jüngere Komponisten davon befreit und Richtungen eingeschlagen, die auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts zurückgehen, bis zu Ravel und Debussy, Richard Strauss und vielen anderen. Guillaume Connesson (*1970) ist ein solcher Komponist, der die verkopfte Musik aus seinem Schaffen verbannt hat und mit Aussagen, die er mit Stimmungen, Farben und Rhythmik erreicht, eine unmittelbar zugängliche Musik schreibt. So macht er die zeitgenössische Musik, die viele Leute verschreckt hat, salonfähig, ohne auf Anspruch und Qualität zu verzichten.
‘Flammenschrift’ bezeichnet Connesson als Hommage an die deutsche Musik. Das 2012 vom ‘Orchestre National de France’ unter Daniele Gatti uraufgeführte Stück ist ein rhythmisches Perpetuum mobile voller Farben und eruptiver Musik, so als vergleiche der Komponist – hier durchaus in einem Stil, der an Shostakovich erinnert – die deutsche Musik mit einem große Musikliteratur speienden Vulkan.
‘Pour sortir au jour’ (Heraustreten in das Tageslicht) ist der Originaltitel des ägyptischen Totenbuchs der Zaubersprüche, Beschwörungsformeln und liturgischen Anweisungen. Connessons gleichnamiges Werk wurde 2014 vom ‘Chicago Symphony Orchestra’ unter Charles Dutoit uraufgeführt. Solist war damals und ist auf dieser CD Mathieu Dufour, Soloflötist der Berliner Philharmoniker. Mit seinen Tänzen und Zwischenmusiken ist dieses Flötenkonzert ein absolut hinreißendes Werk, mit packenden Stimmungen, mitreißender Rhythmik und einer Orchestrierung, die an Farben keiner der größten Franzosen wie Ravel oder Debussy überbieten kann.
Zwei nicht weniger faszinierende Werke, das lyrisch-warmblütige ‘E chiaro nella valle il fiume appare’, eine Hommage an die italienische Musik, und ‘Malsenitsa’, ein russischer Karneval, beschließen diese CD, die jeder Gegner zeitgenössischer Musik sich zur Revidierung seiner Meinung anhören sollte
Die Interpretationen des ‘Brussels Philharmonic’ sind hochkarätig unter der inspirierten Leitung von Stéphane Denève, und die Tonaufnahme ist präsent und räumlich. Empfehlenswert!