Bela Bartok: Quartett für Streicher Nr. 4 - György Ligeti: Quartette für Streicher Nr. 1 (Métamorphoses nocturnes) & Nr. 2; Marmen Quartet (Johannes Marmén, Laia Valentin Braun, Violine, Bryony Gibson-Cornish, Viola, Sinéad O’Halloran, Cello); # BIS 2693; Aufnahme 07.2023; Veröffentlichung 17.01.2025 (67'59) – Rezension von Uwe Krusch ** (For English please scroll down)

Das gut zehn Jahre bestehende britische Marmen Quartet hat die beiden Quartette von Ligeti zusammen mit dem vierten von Bartok eingespielt. Das ist insofern passgenau, als das frühe erste Quartett noch der ungarischen Periode zurechenbar ist und damit auch vom dritten und vierten Quartett von Bartok beeinflusst ist. Das zweite Ligeti-Quartett mit seiner dynamischen unorthodoxen Art, dynamischen Extremen und den außergewöhnlichen Zuspitzungen ist eines der Meisterwerke seiner späten Schaffensphase.

Das Marmen Quartet erobert diese Werke mit furioser Energie. Es gelingt ihnen, die Einheit des Klanges des Streichquartetts herauszustellen und gleichzeitig eine höchst deutliche Zeichnung der einzelnen Stimmen zu verwirklichen, so dass sie ein ebenso geschlossenes wie bestens durchhörbares Ergebnis erzielen. Dabei scheuen sie sich nicht, die moderne Harmonik unzweifelhaft zu manifestieren und im Gegensatz dazu rückblickende Passagen liebevoll auszukosten.

Im zweiten Quartett beispielsweise stellen sie die unterschiedlichen Bewegungsarten deutlich heraus. Im ersten Satz zeigen sie ein diffus gezeichnetes Bild, das die weitgehend aufgelöste Struktur verdeutlicht. Im zweiten Satz dann konzentrieren sie sich auf die sehr langsame, fast stehende Bewegung, die die Musik wie aus der Ferne kommend und mit großer Lyrik erhebt. Ganz anders der dritte Satz, den sie hart und mechanisch wie eine maschinenartige Studie nehmen und in Teilen ein granulares Kontinuum erzeugen. Beim vierten Satz erzielen sie mit schneller und bedrohlicher Sprache einen Effekt wie ein Zusammenstauchen. Nochmals mit einem starken Kontrast genießen sie den fünften Satz mit der Delikatesse, die die Satzbezeichnung Allegro con delicatezza stets sehr mild anregt. Die immer gleiche Grundkonfiguration machen sie in jedem Satz mit anderer Färbung oder aber unter einem anderen Blickwinkel hörbar, so dass sich die Form in ihrer Gesamtheit erst im Zusammenhang aller Sätze genießen lässt.

Im Pizzicato des vierten Satzes bei Bartok offenbaren sie trotz aller deutlichen Akzente und auch Schärfe des Zupfens die Grazilität, die man einem Allegretto bezeichneten Stück zugestehen mag. Alles in allem liefern sie mitreißende Interpretationen der drei Quartette.

The British Marmen Quartet, which has been in existence for a good ten years, has recorded the two quartets by Ligeti together with the fourth by Bartok. This is fitting insofar as the early first quartet is still attributable to the Hungarian period and is thus also influenced by Bartok’s third and fourth quartets. The second Ligeti Quartet, with its dynamic unorthodox style, dynamic extremes and extraordinary climaxes, is one of the masterpieces of his late creative phase.

The Marmen Quartet conquers these works with furious energy. They succeed in emphasizing the unity of the string quartet’s sound and at the same time achieving a very clear delineation of the individual parts, so that they achieve a result that is as cohesive as it delivers an excellent audible result. At the same time, they do not shy away from unquestionably manifesting modern harmony and, in contrast, lovingly savoring retrospective passages.

In the second quartet, for example, they clearly emphasize the different types of movement. In the first movement, they present a diffusely drawn picture that illustrates the largely resolved structure. In the second movement, they concentrate on the very slow progression, which elevates the music as if coming from afar and with great lyricism. The third movement is completely different, which they take mechanically as a machine-like study and create a granular continuum in parts. In the fourth movement, they use fast and threatening language to create an effect like a compression. Again with a strong contrast, they enjoy the fifth movement with the delicacy that the movement title Allegro con delicatezza suggests. They make the same basic configuration audible in each movement with a different coloration or from a different angle, so that the quartet can only be enjoyed in its entirety in the context of all the movements.

In the pizzicato of Bartok’s fourth movement, despite all the clear accents and sharpness of the plucking, they reveal the gracefulness that one might accord to a piece marked Allegretto. All in all, they deliver rousing interpretations of the three quartets.

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