Während andere Solisten mit albumbezogenen Maskeraden oder in Abendrobe das Booklet schmücken, zeigt Sharon Bezaly ihre für sie angefertigte 24 Karat Goldflöte zum wiederholten Mal zu Jeans. Vielleicht leitet sich das aus dem Umstand ab, dass die gebürtige Israelin in Schweden lebt, und in Skandinavien lebt es sich bekanntlich entspannt. Die als Künstlerin und für Alben mehrfach mit Preisen geehrte Solistin ist eine wichtige Repräsentantin ihres Instrumentes und auch eine ausgezeichnete Botschafterin für neue Musik. So wurden ihr bisher 17 Konzerte gewidmet, von denen sie eine Reihe auf Tonträgern verewigt hat.
Das neuere Werk dieses Albums, das Konzert des Ende Juli verstorbenen Finnen Einojuhani Rautavaara, wurde vor über 40 Jahren geschrieben und ist nur ein Jahr jünger als die Solistin. Dieses viersätzige Werk findet sich gleich in zwei Versionen auf der CD. Zunächst wird die ursprüngliche Version vorgestellt. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass sie den Einsatz von vier Flöten, nämlich Pikkolo, große Flöte sowie Alt- und Bassflöte abverlangt, aber fast keine außergewöhnlichen Spieltechniken. Bedingt durch den Wechsel der Flöten, auch innerhalb von Sätzen, ist dieses Werk so anstrengend für die Solisten, dass diese dem Komponisten eine zweite Fassung abgerungen haben, in der im ersten und vierten Satz die Bassflötenstimme der Altflöte übertragen wurde. Das Werk ist typisch rautavaarisch melodieorientiert mit Anklängen an Arabesken aus ‘Syrinx’ oder ‘Prélude à l’après midi d’un faune’ und harmonisch impressionistischen Einsprengseln à la Messiaen. Dann treten auch wieder dissonante Ausbrüche auf. Im ersten Satz findet sich eine Passage, die man, wenn man Bilder zur Musik mag, als Vertonung wallenden Nordlichts hören mag.
Den Anfang der Aufnahmen macht eine Bearbeitung. 1940 komponierte der Armenier Aram Khachaturian sein Violinkonzert. Berater im Kompositionsprozess, Widmungsträger und Solist der Uraufführung war David Oistrakh. Entstanden ist ein kraftvolles Werk, das durch und durch armenischen Geist versprüht und beim Komponisten selber höchste Achtung genießt.
Fast 30 Jahre später fragte der französische Flötist Jean-Pierre Rampal beim Komponisten nach, ob dieser ihm ein Flötenkonzert komponieren könnte. Khachaturian schlug Rampal vor, einfach das Violinkonzert umzuschreiben, da es auch für die Flöte geeignet sei. Dabei ließ er dem Solisten freie Hand, der sie nutzte, um es für die Flöte richtig einzurichten und nicht nur irgendwie spielbar zu machen. Die Kadenz im ersten Satz wurde dabei auch komplett umgestaltet. Der Orchesterpart blieb dagegen unangetastet. Würde man nur diese Version kennen, käme man zweifellos zu einem ausschließlich positiven Urteil. Mit der Geigenversion im Ohr und als Spieler des Streichinstruments bevorzugt man aber diese Version.
Die Solistin weiß in beiden Werken ihre Meisterschaft zur Geltung zu bringen und so ein unwiderstehliches Plädoyer für diese wertvollen Beiträge zur Gattung der Flötenkonzerte zu lancieren.
Beim Khachaturian wird sie vom ‘Sao Paolo Symphony Orchestra’ unter Leitung des mexikanischen Dirigenten Enrique Arturo Diemecke begleitet. Das Orchester hat sich seit seiner Gründung 1954 zu einem achtenswerten Klangkörper entwickelt, der sich mit seinem charaktervollen Spiel Achtung verschafft. Lediglich im dritten Satz hat man den Eindruck, dass die Konzentration bzw. Intensität etwas nachlässt, was bei einer Produktion im Studio nicht zu erwarten ist. Der Rautavaara wird von seinen Landsleuten aus Lahti unter der Leitung des in Moskau geborenen Dima Slobodeniuk, der seit September 2016 als Nachfolger von Okko Kamu Chefdirigent in Lahti ist, vorgetragen. Diese bringen die finnischen Klangwelten intensiv zum Leuchten.