Étienne-Nicolas Méhuls einaktige romantische Oper ‘Uthal’ ist eine ‘Opéra-comique’ mit deutlich dramatisch-tragischem Charakter, die am 17. Mai 1806 in Paris uraufgeführt wurde und bald darauf in der Versenkung verschwand. Dafür mag das in einer etwas schwülstigen Sprache verfasste Libretto von Jacques Benjamin Maximilien Bins de Saint-Victor mitverantwortlich sein, das auf den damals sehr beliebten ‘Gesängen des Ossian’ des Schotten James Macpherson (1736–1796) fußt.
Mit ihrer düster-rauen Natur- und Landschaftsschilderung fand diese ‘Ossianische Dichtung’ in Europa schnell Verbreitung. So verarbeitete Felix Mendelssohn Bartholdy in der Ouvertüre ‘Die Hebriden’ Eindrücke einer Reise nach Großbritannien, bei der er 1829 die Inselgruppe vor der Westküste Schottlands besuchte. Diese galt als Schauplatz der Ossian-Epen, in welchen der erblindete Barde Ossian die Kriege und Heldentaten des Königs Fingal und seiner Krieger sowie die wilde Landschaft besingt. Auch Mendelssohns ‘Schottische Symphonie’ hat diese ‘ossianische’ Atmosphäre. Der dänische Komponist und Dirigent Niels Wilhelm Gade schrieb eine Ouvertüre unter dem Titel ‘Nachklänge von Ossian’ und auch Johannes Brahms und Franz Schubert verfielen dem Ossian-Fieber.
Für die Aufführung von ‘Uthal’ in der Hofoper von Versailles hatte das ‘Palezzetto Bru Zane’ die ‘Talens Lyriques’ und den ‘Choeur de Chambre de Namur’ sowie exzellente Solisten engagiert, die unter der impetuosen Leitung von Christophe Rousset mit viel Überzeugungskraft Méhuls ‘Uthal’ eine Wiederbelebungsspritze gaben. Jetzt liegt der Mitschnitt dieser Aufführung auf CD vor und der bestätigt unsere Eindrücke von der Aufführung.
Das Orchester, für das Méhul keine Violinen vorgesehen hat, spielt mit 2×7 Bratschen, Celli und Bässen, ist dunkel fundiert und begeistert gleich schon in der Mendelssohn-würdigen Sturm-Ouvertüre. Méhul zeigt überhaupt in der mit ca. 60 Minuten recht kurzen Oper viel Sinn für Dramatik und aufgewühlte Klänge, wie sie sich logischerweise aus der Konfrontation zwischen Uthal und seinem Schwiegervater Larmor ergeben, dessen Land er besetzt hat und das Larmor mit der Hilfe von Fingal, dem Chef der Morven, wiedererobert. Malvina, Uthals Frau und Larmors Tochter, ist zwischen der Liebe zu ihrem Mann und ihrem Vater hin- und hergerissen. Sie versucht vergeblich, den Krieg zu verzögern. Uthal wird in der Schlacht geschlagen und zur Verbannung verurteilt. Als Malvina erklärt, ihm ihn ins Exil zu folgen, gesteht Uthal, dass er falsch handelte, was wiederum Larmor zur Begnadigung des Schwiegersohns bringt.
Die Mezzosopranistin Karine Deshayes singt die einzige Frauenrolle mit kraftvoller Stimme, sehr gefühlsintensiv und zeichnet so ein starkes Porträt der Malvina.
Jean-Sébastien Bous Stahlkraftstimme klingt für die Rolle des alten Larmor etwas jung, und der Sänger verfehlt es, der Figur das ‘Weise’, das Philosophische zu geben, das sich, wenn auch spärlich, im Text findet. Yann Beurons Interpretation der Rolle des Uthal ist ein Musterbeispiel für fein differenzierenden Gesang, und er drückt der Rolle mit seiner warmen, baritonal gefärbten Tenorstimme sehr souverän seinen Stempel auf.
In den Nebenrollen fällt der Tenor Reinoud Van Mechelen (Erster Barde) auf, der mit seiner sensiblen und klar strahlenden Stimme die Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Die Tonaufnahme stellt die Stimmen deutlich in den Vordergrund, aber das Orchester behält dennoch genügend Präsenz.
Eine empfehlenswerte Aufnahme!