Nach seiner erfolgreichen Einspielung von Prokofievs Klavierkonzerten (Pizzicato-Rezension) wendet sich Vadim Kholodenko nun Solowerken des Komponisten zu. Ein etwas matt klingender Fazioli-Flügel und eine direkte, trockene Aufnahme liefern ein besonderes, aber nicht unbedingt schlechtes Umfeld für diese Aufnahmen, in denen Prokofiev weniger perkussiv und grell klingt als in anderen uns bekannten Interpretationen.
Kholodenko hat einen guten Dynamikumfang, eine sehr reiche Farbpalette und eine sehr sichere und transparente Technik. Das erlaubt es ihm, sehr zu nuancieren und vielleicht berührendere Atmosphären zu erreichen als viele seiner Kollegen. Kholodenko braucht technisch keinen Vergleich zu scheuen. Er hat viele Trümpfe auf seiner Seite, vor allem virtuose und zugleich gefühlvolle Finger, um allen Ansprüchen des Komponisten gerecht zu werden. Seine differenzierte Interpretation der 6. Klaviersonate ist genauso gelungen wie die der Visions Fugitives, in denen der Pianist Brillanz mit Feingefühl verbindet.
After his successful recording of Prokofiev’s piano concertos (Pizzicato review) Vadim Kholodenko now turns to solo works by the same composer. A somewhat matt Fazioli grand piano and a direct and dry sound provide a special, but not necessarily bad environment for these recordings, in which Prokofiev sounds less percussive and bright than in other interpretations.
Kholodenko has a good dynamic range, a rich colour palette and a very secure and transparent technique. This allows him to achieve more nuanced and touching atmospheres than many of his colleagues. Kholodenko does not need to shy away from any technical comparison. He has many trump cards, especially virtuosic and at the same time sensitive fingers, to meet all the composer’s demands. His differentiated interpretation of the 6th Piano Sonata is as successful as that of the Visions Fugitives, in which the pianist combines brilliance with sensitivity.
(Rezension von Guy Engels) – Nach den viel beachteten Aufnahmen von Prokofievs Klavierkonzerten widmet sich Vadym Kholodenko nun den Solo-Kompositionen. Gleich der Einstieg in die 6. Sonate zeigt uns die enorme Gestaltungsfähigkeit des urkainischen Pianisten.
Die Musik klingt brutal, mechanisch und stählern, als würde das Schicksal unerbittlich über einen hinwegrollen. Die Atmosphäre ist natürlich der Entstehungszeit der Sonate geschuldet. Sie gehört zu den sogenannten Kriegssonaten. Vadym Kholodenko greift dieses Gefühlsgemenge von Leid, von Unmenschlichkeit, von Zerstörungswut mit allen Mitteln auf, die seinen Fingern zur Verfügung stehen – an virtuosem Können und interpretatorischer Ausdruckskraft.
Der Pianist inszeniert eine Realität, die auch heute noch nichts von ihren Schrecken verloren hat, mit einem geradezu kalten, nüchternen und anti-romantischen Klang, der immer wieder kontrastiert mit intimen Momenten, mit vorgetäuschter Friedenshoffnung.
Prokofiev und Kholodenko spielen hier mit den gleichen musikalischen Täuschungsmanövern, die auch Dmitri Shostakovich gerne verwendet. Vieles kingt unbekümmert, verspielt und leicht, ist jedoch nur ironisch gemeint.
Dies wird fast noch deutlicher in den vier Tanzstücken op. 32, die alles sind – nur eben keine Tanzstücke, kein angenehmer gesellschaftlicher Zeitvertreib.
Auch die Choses en soi sind ständig in Bewegung, leben von unruhiger Gelassenheit: pianistische Introspektion in ständigem Aufruhr.
Vadym Kholodenko beweist eins um andere Mal – besonders in den Visions fugitives – wie man die gestalterische Freiheit des Interpreten intelligent und feinfühlig nutzt, um mit Virtuosität und scharfem Verstand aus einer Partitur echte Dramaturgie herauszulesen und echte Musik zu machen.