Als vektoriell bezeichnet Erkki-Sven Tüür selbst seine gegenwärtige Kompositionstechnik. Damit meint er, dass sich aus einer Quelle verschiedene Entwicklungen ergeben, die sich verändern und anwachsen, aber über das Ausgangselement miteinander verbunden sind, wie auf einem Vektor. Daneben ist für ihn kennzeichnend, dass er verschiedene Bestandteile innerhalb einer Komposition verwendet, wie tonale und atonale Passagen und fließende Tonartenübergänge. Dass seine Musik griffig ist und gemocht wird, kann man daraus erschließen, dass sein Werk regelmäßige Aufführungen erfährt und er oft mit Aufträgen bedacht wird.
Um ebensolche Kompositionsaufträge handelt es sich bei den drei eingespielten Werken dieser Aufnahme, wobei alle drei für Kammerorchester geschrieben wurden. Neben der 8. Symphonie handelt es sich um ‘Illuminatio’ für Viola und Orchester sowie ‘Whistles and Whispers from Uluru’ für Flöten und Streicher. In letzterem Werk verbindet er kompositorisch den Heiligen Berg der australischen Aborigines mit der Frühlingsstimmung seiner estnischen Heimat auf der Insel Hiiumaa, wo das Werk entstand. Herausfordernd für den Solisten bzw. hier die Solistin ist die Vorgabe, diverse Typen der Blockflötenfamilie zu verwenden, teilweise noch durch elektronische Zuspielung ergänzt. Das Flötenspiel ist auch mit Stimme zu unterstützen, so dass der Klangeindruck des Didgeridoo entsteht.
Während ‘Whistles’ einen statischen Platz darstellt, ist das Bratschenkonzert ‘Illuminatio’ eine auf Bewegung zielende Komposition. Aus der biblischen Ausgangssituation des Öden und Leeren heraus startet der Solist eine Entwicklung, die mit immer größerer Beteiligung des Orchesters bis zur Überflutung des Solisten zu einem lichtvollen Ende führt. Auch die 8. Symphonie ist für ein kleines Ensemble geschaffen, ohne eine Kammersymphonie geworden zu sein. Auch dieses Werk zeigt fortwährende Bewegung und Entwicklung.
Die finnische ‘Tapiola Sinfonietta’ hat nicht nur in Finnland einen guten Ruf als wendiges und motiviertes Ensemble, das sich insbesondere auch der Moderne verpflichtet fühlt. Die ständige Begegnung mit zeitgenössischer Musik und deren stilgerechte Darstellung kann man hier zwanglos aus der wie selbstverständlich klingenden Interpretation heraushören. Der Landsmann des Komponisten, Olari Elts, gibt dem Orchester die Impulse und den Zusammenhalt, den es für die Aufgabe benötigt.
Lawrence Power spielt die Solostimme von ‘Illuminatio’ sonor und kraftvoll, aber auch mit einer guten Portion Noblesse und Artistik. Seine Interpretation überträgt den Spaß an der Bewältigung der Aufgabe auf den Hörer. Geneviève Lacey ist der zeitgenössischen Musik ebenfalls zugetan und hat vielfach selber Kompositionen beauftragt. Für so ein Werk fehlt natürlich der optische Eindruck, da der Wechsel der Instrumente akustisch allenfalls als Lagenwechsel auf einem Instrument gehört werden könnte, wenn man die Komposition bzw. auch die Tonumfänge der Flötenfamilie nicht kennen würde. Mit ihrer australischen Herkunft sind ihr sicherlich der Anblick des Uluru und auch die Klänge des Didgeridoo bekannt, so dass sich ihre Darstellung durch eine quasi muttersprachliche Natürlichkeit für diese Klangwelt auszeichnet.
Three appealing works from Erkki-Sven Tüür’s vectorial period show an accomplished creator. The instrumentalists perform the music with energy, perfectly catching the intention of the compositions.