Im Interview sagt William Youn, er habe die Sonate KV 282 an den Beginn seiner Mozart-Einspielungen gesetzt, weil sie in München komponiert wurde, der Stadt, die zur Wahlheimat des Koreaners geworden ist. Ich bin überzeugt, dass er sie auch deswegen an den Beginn gesetzt hat, weil sie mit einem Adagio beginnt. Dieses Adagio ist nämlich in gewisser Weise ein Portrait Youns, das Porträt eines ruhigen, sensiblen und romantischen Menschen, als den ihn auch sein feiner und singender Anschlag, das wohl beste Mittel, seine Persönlichkeit musikalisch zu beschreiben, deutlich ausweist. Und so schafft der Pianist gleich mit diesem Adagio eine Atmosphäre vergeistigter und beseelter Schönheit, die den Zuhörer mitnimmt auf eine wunderbare, sehr poetische Mozart-Reise.
Nach der durchgehend etwas verträumt dargestellten Sonate KV 282 folgt die in den Ecksätzen kraftvollere Sonate KV 310, in der Youn seine Einfühlsamkeit mit lebendiger Klangphantasie eindrucksvoll verbindet. Der Dialog zwischen beiden Händen wird im Allegro maestoso sehr expressiv. Diese Rechts-Links-Balance mit ihren Harmonien und ihren Kontrasten lässt den langsamen Satz besonders schön werden. Folgerichtig prescht William Youn im Presto nicht gleich mit Brio davon, sondern schafft einen ganz harmonischen Übergang. Aus der Tiefe seiner Sensibilität gewinnt er einen Reichtum agogischer und dynamischer Zwischenwerte, die diesem Mozart – ohne auch nur einen Deut recherchiert zu wirken – eine persönliche Note geben.
Youns feiner Klangsinn lässt auch den ersten Satz der Sonate KV 330 nicht nur Ausdruck ungestümer Freude werden, quasi als innere Vorbereitung auf das Andante cantabile, das durchaus keine pure Klangseligkeit anstrebt, sondern eine vergeistigte Tiefe erzielt, an denen andere achtlos vorbeigespielt haben, auch Haskil und Pires, die beide deutlich schneller spielen als Youn. Dass danach das Allegretto diese Sonate so unbeschwert beschließt, ist ein willkommener Kontrast.
Die Sonate KV 570, 1789 entstanden, ist ganz klar das reifste der vier Werke, und Youn lässt da keinen Widerspruch aufkommen. Das Allegro spielt er recht zügig und virtuos, das formal recht komplexe Adagio eher bedeutungsschwer und das abschließende Allegretto ganz dezidiert. Dieser Satz hört so unvermittelt auf, dass man als Zuhörer irgendwo oben im Raum hängen bleibt und auf Anhieb nicht so richtig weiß, was nun zu tun ist. Wieder vorne anfangen, oder so hoch hinaus auf Volume 2 der Mozart-Aufnahmen mit William Youn warten? Warten tu ich in jedem Fall ganz inständig. Und springe dennoch zum Track 8 zurück, zum Adagio von KV 330. Und dann wieder zu Track 1… Und so brenne ich den Youn-Mozart auf die interne Harddisk. Als künftigen Maßstab.