Gottfried von Einem: Geistliche Sonate, Philadelphia Symphony, Stundenlied; Ildíko Raimondi, Sopran, Gabor Boldoczki, Trompete, Iveta Apkalna, Orgel, Wiener Philharmoniker, Franz Welser-Möst; 1 CD Orfeo C 929 181 A; Aufnahmen 04/2009, 04/2011, 09/2016, Veröffentlichung 02/2018 (68'20) – Rezension von Uwe Krusch

Wie unterschiedlich die Wege verlaufen können, lässt sich an zwei Jubilaren ermessen, deren 100. Geburtstag in das Jahr 2018 fällt. Da wären einerseits der amerikanische Musiker Leonard Bernstein und andererseits Gottfried von Einem, der in Österreich mitunter als Nationalkomponist gehandelt wird.

Die Biographie und damit die Person von Gottfried von Einem kann man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und damit auch verschieden bewerten. Wohl auch durch die guten Kontakte seiner Mutter in höchste Kreise der Nationalsozialisten war er sowohl vor 1945 ein angesehener Komponist als auch danach, beispielsweise direkt 1947 mit seiner Oper Dantons Tod. Stilistisch definierte er seinen eigenen Stil, der der Tonalität verbunden blieb und damit beim Publikum reüssierte und bei den neutönenden Kollegen durchfiel.

Aus seinem Schaffen werden in einer hochwertigen Aufnahme das ‘Stundenlied’ von 1958, die ‘Philadelphia Symphonie’ von 1961, ein Auftragswerk für das gleichnamige Orchester sowie die ‘Geistliche Sonate’ aus dem Jahr 1973 vorgestellt. Auch wenn die Tonalität gewahrt bleibt, lässt das jüngste Werk doch deutliche Erweiterungen hörbar werden.

Die Symphonie, auf Anregung von Eugene Ormandy entstanden, zeigt mit der Tonart C-Dur und ihrem postklassischen Stil den Mut oder gar die Provokation gegenüber den Komponisten, die gleichzeitig mit zerstörerischen Ansätzen gegenüber dem Bekannten nach Donaueschingen pilgerten. Dabei ist das Werk mit Augenzwinkern verfasst und gekonnt instrumentiert. Die ‘Geistliche Sonate’ vereint drei Solisten, Trompete und Orgel und erst später dazu tretend die Singstimme, die religiöse Texte vorträgt.

Das ‘Stundenlied’, mehr als doppelt so lang wie die anderen beiden Werke zusammen, wurde auf Texte von Bertold Brecht komponiert. Es vertont die letzten Stunden der Passion Christi und zeigt, wie Massen manipuliert werden können und wie anfällig für wankelmütige Entscheidungen sie sind. Dieses Werk gehört mit zum Gehaltvollsten des Komponisten.

Die Interpreten dieser Aufnahme zählen allesamt zu den Großen ihres Faches. Das Orchester der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Franz Welser-Möst entlockt den Kompositionen den Reichtum der innewohnenden Farben, da die vertrackten Schwierigkeiten natürlich eher Herausforderung als Problem sind.

Die solistischen Aufgaben in der ‘Geistlichen Sonate’ übernimmmt Ildiko Raimondi, die die Texte aus den Paulusbriefen und dem 103. Psalm textverständlich, mit klarer Artikulation und gefälliger Intonation darbietet. Die instrumentalen Soli haben der ebenfalls ungarische Trompeter Gabor Boldoczki und die lettische Organistin Iveta Apkalna übernommen. Ihre Beiträge sind von technischer Beherrschung und musikalischer Durchdringung der Materie gekennzeichnet.

Nicht vergessen werden darf der ‘Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien’, der im ‘Stundenlied’ die wilden Ausbrüche des Chorparts anstandslos meistert und dem Werk die erforderliche Würze gibt.

Die makellose Gestaltung des Beiheftes, auch mit den Texten der Werke, und die technische Realisation der Aufnahme ergänzen das Paket um weitere positive Aspekte, so dass insgesamt eine famose Einspielung entstanden ist.

For the centenary of Gottfried von Einem, Capriccio presents a disc with three pieces, the Philadelphia Symphony, the Geistliche Sonate and the probably most appealing Stundenlied, all of them in an excellent performances.    

 

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