« Ich wollte so viel mehr ausdrücken, als der enge Rahmen eines großen romantischen Liedzyklus wie der der ‘Müllerin’ oder der ‘Dichterliebe’ es mir erlaubt hätte », schreibt Julian Prégardien im Vorwort zu seiner CD ‘An die Geliebte’. An dem Programm habe er lange gefeilt, und es komme ihm mittlerweile « fast wie eine eigene Komposition vor ». Solche Aussagen machen natürlich neugierig auf die musikalische Umsetzung dieses Programms, zumal wenn der junge Sänger der Sohn von Christoph Prégardien ist und als lyrischer Tenor bereits einiges an Lob geerntet hat. Doch aufgepasst, der Entschluss, sich diese Platte anzuhören, kann schwerwiegende Folgen haben. Der Hörer kann ihr verfallen. Eine Anwendung des Rauschmittelgesetzes wäre durchaus in Erwägung zu ziehen…
Prégardiens Kunst der Dramatisierung der Liedinhalte ist genau so hoch entwickelt wie es seine vokalen Fähigkeiten sind. Seine sehr schön timbrierte, schlanke und unverfälscht reine Stimme ist tragfähig vom feinsten Pianissimo bis zum explosiven Fortissimo. Die Phrasierung ist so perfekt wie die Atmung, Färbungen und Schattierungen scheinen in grenzenlosem Maß zur Verfügung zu stehen, die Textverständlichkeit ist hoch.
Dass dieses wunderbare Material und ein absolut sicheres Wissen um den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Ausdrucksmittel mit einer tief musikalischen Seele zusammenwirken, ist ein für den Hörer beglückender Umstand.
Auf den sensibel und sehr poetisch vorgetragenen Beethoven-Zyklus ‘An die ferne Geliebte’ folgen die ‘Vier Temperamente beim Verluste der Geliebten’ von Carl Maria von Weber, in denen sich Prégardien als spontaner Gestalter erweist, so dass alle Facetten dieses witzig-ironischen Liederzyklus’ mit hinreißender Unmittelbarkeit und echtem Komödiantentum zum Ausdruck kommen.
Emotional ganz anders gelagert sind Hugo Wolfs Mörike-Lieder, die ebenfalls wunderbar dargestellt werden. Den Höhepunkt der Einspielung aber bilden für mich die ‘Mädchenblumen’ von Richard Strauss, auf Gedichte von Felix Dahn, in denen weibliche Charaktereigenschaften wie Milde, Spritzigkeit, Hingabe und Verzauberung mit Kornblume, Mohn, Efeu und Wasserrose verglichen werden.
Über die schnulzigen Metaphern wurde viel gelästert, und doch gelangen dem 23-jährigen Strauss damit Miniaturen, die, mit Ausnahme der sprunghaften ‘Mohnblume’, feine und zauberhafte Stimmungen evozieren, die von Prégardien in betörendem Duft kredenzt werden. Insbesondere das letzte Stück, die ‘Wasserrose’, erlangt mit seinen leisen Tönen, oft in sehr hoher Lage, einen sublimst beseelten Charakter. Julian Prégardien singt dieses Lied mit einer Pianissimo-Kultur, wie ich sie schon lange nicht mehr bei einem Sänger gehört habe.
Nicht unerwähnt bleiben soll der wie Prégardien dreißigjährige Pianist Christoph Schnackertz, der als ungemein sensibel mitgestaltender Begleiter imponiert. Und schließlich sei auch auf die superbe Tonqualität der Aufnahme Tonaufnahme hingewiesen, die eine perfekte Balance zwischen Singstimme und Klavier erzielt und im Surround-Klang sehr natürlich wirkt.
Eine bei weitem mehr als nur einfach gelungene Lieder-Debüt-CD ist dies also, und ich frage mich, was denn nun des von mir sehr geschätzten Sängers Christoph Prégardien größte Leistung ist, die eigene Kunst oder die Zeugung dieses außergewöhnlichen Tenors Julian Prégardien…
Tenor Julian Prégardien and pianist Christoph Schnackertz present a well thought-out program, with highly evocative performances. Prégardien spontaneously brings drama, passion and sensualism to the various songs. The tender lyricism of the Strauss cycle Mädchenblumen is a particularly rewarding experience, since Prégardien has a unique art of pianissimo singing like it is hardly to be heard from other singers.