Franz Schubert: Winterreise; Thomas Oliemans, Bariton, Paolo Giacometti, Klavier; 1 CD Channel Classics CCS42119; Aufnahme 10/2018, Veröffentlichung 18/10/2019 (71'24) – Rezension von Remy Franck

Winterreisen folgen sich unablässig und sind alle sehr verschieden voneinander. Nach Bostridges neuer Aufnahme, in der der Sänger durch die Behandlung jedes Wortes auffiel, ist der niederländische Bariton Thomas Oliemans nunmehr auch schon bei seiner zweiten Winterreise. Er hatte den Zyklus bereits 2006 mit  Bert van den Brink aufgenommen.

Ganz im Gegensatz zu Bostridge ist Oliemans’ Interpretation ein Psychogramm, das hauptsächlich durch die Färbung der Stimme zustande kommt.

Seine helle Baritonstimme eignet sich vorzüglich, zumal er die Kopfstimme sehr effektvoll einsetzen kann. Helle, zarte Töne voller Verzweiflung, stehen sehr oft direkt rauen, nahezu heiseren Klänge gegenüber, die die Verbitterung, um nicht zu sagen den Ekel ausdrücken, weil der junge Mann auf seinem langen Weg sich seiner selbst immer überdrüssiger wird. Liebliche Flashbacks sind selten, aber wirkungsvoll, die Hoffnungslosigkeit wird dadurch aber nur noch packender, umso mehr als Paolo Giacometti am Klavier ein gewichtiges Wort mitzureden hat in dieser emotionalen Gestaltung.

Oliemans mag letztlich nicht so tief in die Lieder eindringen als Goerne oder Bostridge, sein Gesang ist extrovertierter, und wenn die komplexe Psychologie des Reisenden nicht ganz so stark detailliert wird, so ist die Dominanz der Verzweiflung doch so ergreifend, dass der Zuhörer in dieses Leiden hineingezogen wird.

After Bostridge’s new recording of Schubert’s Wintereise, in which the singer attracted attention through the detailed and careful treatment of every word, the Dutch baritone Thomas Oliemans presents his second recording. He had made the first one with Bert van den Brink in 2006.
In contrast to Bostridge, Oliemans’ interpretation is mainly based on the colouring of the voice. His bright baritone voice is excellent, especially since he can use the head voice very effectively. Bright, tender tones full of despair are very often directly opposed to rough, almost hoarse sounds, which express bitterness, not to say disgust, because on his long journey the young man becomes more and more tired of himself. Lovely flashbacks are rare, but effective, because the hopelessness becomes even more gripping, all the more so as Paolo Giacometti has an important word to say at the piano.
Oliemans may not penetrate so deeply into the songs as Goerne or Bostridge, his singing is more extroverted, and the complex psychology of the traveller is not so detailed, but nevertheless the dominance of despair is so gripping that the listener is drawn into this suffering.

 

  • Pizzicato

  • Archives