Diese ‘Aida’ ist eine richtige ‘Aida’, denn auch wenn so manches in der Dekoration stilisiert wurde, bleibt die altägyptische Atmosphäre erhalten, trotz der der vielen kahlgeschorenen Choristen und Tänzer – welch ein inszenierungstechnischer Geistesblitz! Immerhin: die Inszenierung stört nicht, aber sie fällt auch nicht durch Genialität auf. ‘Aidas’ in traditioneller Aufmachung hat es bessere gegeben.
Auch musikalisch ist eigentlich nichts vorhanden, was diese Produktion auszeichnen würde, abgesehen von dem gefühlvollen, dynamisch wie farblich differenzierenden Dirigat Gianandrea Nosedas, das aus dem Orchestergraben einen durchwegs gepflegten, oft sogar wunderbar stimmungsvollen Orchesterklang kommen lässt, den die Sänger meistens ruinieren.
Marco Berti, der italienische Radames vom Dienst, brüllt mehr als er singt, der Gesang der Amerikanerin Kristin Lewis ist unausgeglichen und instabil, aber darstellerisch kann sie gefallen. Sie wird allerdings von der georgischen Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili (Amneris) bei weitem überboten. Sie ist die einzige der drei Hauptakteure, die das Drama verstanden hat, die ihre Rolle wirklich menschlich ausfüllt und sängerisch besonders im vierten Akt zu einer großartigen Verdi-Sängerin heranwächst und von dem wunderbaren Klangteppich profitiert, den Noseda ihr aus dem Graben auf die Bühne projiziert.
Die anderen Rollen sind recht gut besetzt, mit dem vokal sicheren Mark S. Doss (Amonasro), dem souveränen Giacomo Prestia (Ramfis) und dem wirklich beeindruckenden In-Sung Sin (Il Re).
Nichtsdestotrotz: Wer sich eine gute Aida anschaffen will, sollte sich die Ronconi-Inszenierung aus der Scala mit Pavarotti und Chiara kaufen oder, besser noch die Zeffirelli-Produktion aus Busseto.