Die hohe Speicherkapazität der Blu-ray erlaubt es, dank der geringen Datenmengen historischer Aufnahmen, 14 ½ Stunden Musik auf einer Disc unterzubringen. Etliche der bedeutendsten Dirigenten des 20. Jahrhunderts sind auf der Platte vertreten und sogar einige mehr, als das Coverblatt ankündigt. Sogar im Booklet selber werden diese in den Texten nicht erwähnt. Die Aufnahmen von Barbirolli, Paray, Ansermet und Stravinsky figurieren ‘gschamig’ in den Kapiteln, die den auf dem Cover erwähnten Dirigenten reserviert sind. Das trägt nicht unbedingt zur Übersichtlichkeit bei. Überhaupt ist das Konzept der Kollektion etwas konfus, weil in mehreren Fällen die Grundidee durchbrochen wird. Für Mravinsky gibt es nur eine kurze Aufnahme mit ‘Francesca da Rimini’ und daneben ein sehr interessantes Filmporträt, das einzige im Programm. Oistrakh wird als Solist nicht nur in Orchesteraufnahmen mit Roszdestvensky gezeigt, sondern auch in einigen Kammermusikstücken.
Die Blu-ray beginnt mit einer in den ersten drei Sätzen verzärtelten und insgesamt klanglich schlecht gealterten Aufnahme der ‘Symphonie Fantastique’ mit dem ‘Orchestre de Paris’ unter Herbert von Karajan (1970).
1969 dirigierte der 87-jährige Leopold Stokowski Beethovens Fünfte Symphonie mit dem ‘London Philharmonic’, klanglich ausgefeilt, sonor, aber mit eher langsamen Tempi und nicht unbedingt spannend.
Spannung gibt es genug in einer dramatischen und ebenfalls sonor aufgeputschten Achten Symphonie von Franz Schubert, mit drohenden Bässen, sattem Geigenchor und brillanten Bläsern. 90 Jahre alt war der Maestro, als er 1972 mit dem LSO Wagners ‘Meistersinger’-Ouvertüre (etwas eckig!) und Debussys ‘Prélude à l’après-midi d’un faune’ (sehr sensuell und farbprächtig) aufnahm.
Gennadi Roszdestvensky dirigiert eine emotional tief ausgelotete Vierte Tchaikovsky und ist als Dirigent der Violinkonzerte von Brahms, Sibelius und Tchaikovsky zu erleben, mit David Oistrakh als Solist. Die Aufnahmen entstanden Mitte der Sechzigerjahre in Moskau. Das Brahms-Konzert ist ungemein scharf akzentuiert und schon fast ‘wild’. Das Sibelius-Konzert ist da schon ausgeglichener und spannungs- wie auch gefühlvoll. Am wunderbarsten ist der Solist aber im Tchaikovsky-Konzert, in dem sein Bogen eine großartige Eloquenz erlangt und der Geigenklang ungemein reich ist.
Charles Munch dirigiert eine amputierte Erste Brahms-Symphonie, in welcher der erste Satz fehlt, aber die drei verbliebenen Sätze, in Tokio aufgezeichnet, zeigen, welch großartiger Dirigent Munch war, ein Eindruck, der sich noch verstärkt mit der phänomenalen Interpretation der zweiten Suite aus ‘Daphnis et Chloé’ von Maurice Ravel.
Carlo Maria Giulini und das ‘Philharmonia Orchestra’ bringen zunächst eine sehr dramatische, sehr klangmalerische Fassung der ‘Bilder einer Ausstellung’ zu Gehör, danach eine kräftig akzentuierte, sehr gestische 40. Mozart-Symphonie, eine wunderbar evokative und klanglich raffiniert aufbereitete 2. Suite aus de Fallas ‘Dreispitz’ und, extrem spannungsvoll, die Ouvertüre zu ‘Les vêpres siciliennes’.
Einer der Highlights der Blu-ray ist die Aufzeichnung der 7. Symphonie Anton Bruckners mit dem ‘Orchestre National de France’ in Paris, am 6. Februar 1980, unter der Leitung des damals 78-jährigen Eugen Jochum. Das Orchester spielt sichtbar angestrengt und konzentriert, und auch wenn es technisch nicht wirklich auf der Höhe ist, setzt es doch Jochums inspiriertes Dirigat mit einer zwingenden Spannung um. Für mich ist dies eine der tiefschürfendsten und ergreifendsten Einspielungen des Werks, die ich je gehört habe.
Otto Klemperer ist mit einer für ihn typischen, eher dunklen und strengen Aufnahme der Beethoven-Symphonie Nr. 9 vertreten, Ansermet dirigiert eine wohl proportionierte, sehr in sich ausgewogene Siebte Symphonie.
Und ganz zum Schluss gibt es noch eine Aufnahme der ‘Feuervogel’-Suite mit dem ‘New Philharmonia’ unter der Leitung des Komponisten Igor Stravinsky, die vor allem wegen ihrer prononcierten Rhythmik interessant ist.