Vincenzo Bellinis I Puritani war konzertant in Dresden zu hören, in einer Aufführung, die auch einmal als Opernalbum veröffentlicht werden soll. Michael Oehme berichtet.
Unter den drei zu Recht bekanntesten Belcanto-Opern von Vincenzo Bellini – La sonnambula, Norma und I Puritani – gelangt letztere am seltensten auf die Opernbühne. Unverständlich eigentlich, denn sie enthält eine spannende, stringente Handlung. Die im 17. Jahrhundert spielende Liebesgeschichte zwischen Elvira und Arturo, die aus den verfeindeten Lagern der Stuarts und der Cromwells, der Puritaner also, stammen, Arturo aber die Witwe des hingerichteten Königs der Stuarts retten will, was Elvira als Treuebruch versteht und sie in den Wahnsinn treibt, der nach dem Kampf besiegte Arturo vom Puritaner Riccardo aber begnadigt wird und damit das Paar wieder glücklich zueinander findet – das alles ist ein Opernstoff par excellence, zumal mit vier Haupt- und drei Nebenpartien das Personentableau übersichtlich bleibt, diese aber höchste Ansprüche stellen, was wohl nur Häuser wie die MET in New York in die Lage versetzt, die entsprechenden Sänger für eine ganze Aufführungsserie zu gewinnen. Auch in der einmaligen konzertanten Aufführung mit der Dresdner Philharmonie im Kulturpalast der Elbestadt wurde das Problem deutlich. Kurz vor der Generalprobe musste die mit Spannung erwartete derzeit für die Partie der Elvira favorisierte junge kubanisch-amerikanische Sopranistin Lisette Oropesa krankheitsbedingt absagen und erst in letzter Minute wurde die ebenfalls aus den USA stammend Jessica Pratt eingeflogen und ohne Probe in die auch als CD-Aufnahme geplante Produktion eingebunden. Jessica Pratt musste sich im ersten Akt erst ein wenig ‘einschwingen’ – es fehlte noch etwas Führung der Stimme und den bei Bellini so wichtigen, ausdrucksbildenden Koloraturen die Clarté. Ihre große Wahnsinnsszene im zweiten Akt gelang hingegen hinreißend, sowohl was ihre wundervolle Mezza-Voce-Technik als auch die emotionalen Ausbrüche mit den entsprechenden Spitzentönen angeht. Die scheinbar unendlichen Melodiebögen verloren nie an Spannung.
Die eigentliche Sensation des Abends war der Arturo des amerikanischen Tenors Lawrence Brownlee. Die Möglichkeiten seiner wohlklingenden, diamantengleich glänzenden Stimme schienen keine Grenzen zu kennen, die Leichtigkeit, mit der er die irrwitzigen Höhen dieser Partie bewältigte, zeigte umwerfende Wirkung.
Mit luxeriösem fülligen Stimmmaterial beeindruckte Anthony Clark als Riccardo. Ein wenig brüchig, aber sehr charaktervoll verkörperte Riccardo Zanellato den Sir Giorgio. Das von Bellini genial und zugleich triumphal komponierte Duett der Beiden – Il rival salvar tu dèi im Finale des zweiten Aktes – geriet zu einem Höhepunkt der Aufführung.
Mit gewissem Abstand zu den Vorherigen boten Martin-Jan Nijhof als Elviras Vater Gualtiero Valton und Roxana Constantinescu solide Leistungen. Geradezu schwächelnd wirkte der Tenor von Simeon Espers als Bruno Roberton.
Bleiben Chor und Orchester unter der Leitung von Riccardo Frizza. Der MDR Rundfunkchor aus Leipzig wird immer wieder gern zu Aufführungen der Dresdner Philharmonie herangezogen und stellte erneut seine außerordentliche Qualität unter Beweis. Besonders die stark beschäftigten Männerstimmen begeisterten durch bestechende Klarheit und Strahlkraft.
Überlegen führte Riccardo Frizza durch die Partitur, atmete mit den Sängern und ließ ihnen Raum zur stimmlichen Entfaltung. Die Dresdner Philharmonie verfügt über ein leuchtendes Klangbild, musiziert präzise und temperamentvoll zugleich. Frizza entlockte dem Orchester jene instrumentalen Farben und Effekte, welche wir von Berlioz und Wagner zu kennen scheinen, die aber von Bellini stammen.
Viel Beifall, Zwischenbeifall, der der vorwärtsdrängenden Dramatik von Bellinis Meisterwerk eher entgegenstand, großer Jubel und Standing Ovations dann am Schluss für diese Aufführung der Puritani im akustisch hervorragenden neuen Saal des Dresdner Kulturpalastes.