Der Werkkanon von Wolfgang Rihm, einem der, wenn nicht dem bedeutendsten und mit Sicherheit produktivsten deutschen Komponisten der Gegenwart, umfasst nunmehr sechs Werke, von denen die Solistin Tianwa Yang drei vorstellt. Das älteste, das mittlere und das jüngste Werk, die jeweils im Abstand von etwa 20 Jahren entstanden.
Mit ‘Lichtzwang’, einer Gedichtsammlung von Paul Celan, dem Namensgeber für das gleichnamige Werk, mit dem Bild ‘Schwarze Schönheit’ des Malers Kurt Kocherscheidt in Gedanken bei der ‘Dritten Musik’ und zuletzt mit der Vorstellung von einem imaginären Porträt des Geigers Eugène Ysaÿe vom Maler Max Beckmann bei dem Werk ‘Gedicht eines Malers’ liegen allen drei Stücken imaginäre Szenen zugrunde.
Die Besetzungen der Orchester sind in allen Werken speziell, bei den älteren beiden beispielsweise die fehlenden Violinen und große Schlagapparate. Bei der dritten Musik hat das Akkordeon auch eine herausragende Rolle, die an asiatische Instrumente wie die Sho erinnert.
Tianwa Wang gibt diesen Werken ein prägnantes Gesicht. Die Kompositionen sind zwar nicht so geeignet, ihr schwärmerisches intensives Spiel, das sie mit früheren Aufnahmen vorgeführt hat, zu präsentieren. Aber ihren ausdrucksstarken vielseitigen Klang lässt sie auch dieser Musik angedeihen. Tianwa Yang gewinnt auch diesen aktuellen Kompositionen eine gestalterisch ausdrucksvolle Interpretation ab, die ihre Gestaltungskraft und Sensibilität zeigen. Ihre vorhergehende Einspielung der Violinkammermusik von Rihm hat ihr den Weg in diese Welt geöffnet, der wohl im Hinblick auf die Kennzeichnung dieser Veröffentlichung als erstes Album noch ein weiteres mit den anderen drei Werken für Violine und Orchester von Rihm nachfolgen soll. Technisch ist sie etwas zu deutlich vor das Orchester gehoben, so dass klanglich die Bindung zum Ensemble schütter ist.
Das Orchester, die Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, wird von Christoph-Mathias Mueller geleitet. Sie steuern eine mehr als beachtliche Leistung bei. Bei diesen modernen Werken mit ungewöhnlichen Besetzungen und spieltechnisch außerordentlichen Anforderungen werden Orchester, deren Hauptaugenmerk nicht auf Musik dieser Art liegt, besonders gefordert. Wenn man das Konzert ‘Lichtzwang’ in der Vor-Uraufführungsaufnahme mit Janos Negyesy, dem früheren SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg und Ernest Bour nimmt, so ist diese im Orchesterpart prägnanter und sensibler. Aber die junge Aufnahme muss sich demgegenüber nicht verstecken. Im Gegenteil, sie ist eine spannende Bereicherung des Katalogs.