
Die vom ukrainischen Geiger Maxim Brilinsky gezeigten Beispiele der Violinsololiteratur sind in ihrem Charakter so anspruchsvoll, dass man sie als Bühnenwerke und nicht nur Übungsstücke ansehen muss, auch wenn der Titel Etüde Letzteres andeuten mag. Dafür spricht auch, dass schon Joseph Joachim meinte, dass Paganini wohl virtuoser spielte als Ernst, ihn aber an Wärme, Poesie und Geist nicht erreichen könne, was auch auf die Kompositionen von Ernst ausstrahlt.
Die technisch anspruchsvollen Sechs mehrstimmige Etüden von Heinrich Wilhelm Ernst zeigen eine Parallelität mit den ungleich jüngeren Sonaten von Ysaÿe, da auch sie jeweils sechs berühmten Violinisten ihrer Zeit gewidmet sind, nämlich Ferdinand Laub, Prosper Philippe Catherine Sainton, Joseph Joachim, Henri Vieuxtemps, Josef Hellmesberger senior und Antonio Bazzini. Schon daraus ergibt sich für jede dieser Etüden ein eigener Charakter.
Die Werke von Henri Wieniawski sind zum einen die L’école Moderne, unverzichtbarer Bestandteil der Violinliteratur mit technischen Herausforderungen und musikalischem Gehalt sowie die ungleich öfter zu hörende Légende. Brilinsky, Mitglied der Wiener Philharmoniker, hat letztere, ursprünglich für Violine und Orchester geschrieben, meist mit Violine und Klavier gespielt, hier in zwei Runden für zwei Geigenstimmen gesetzt eingespielt.
Den Abschluss des Albums bildet das Grand Caprice über Schuberts Erlkönig, nochmals von Ernst. Mit Erzähler, Erlkönig, Vater und Kind sowie Klavierbegleitung auf der Violine hat die Geige vier bis fünf Rollen zu zeigen, die mit herausfordernden unterschiedlichen Techniken für die verschiedenen Charaktere und Stimmungen fesselnd erobert werden müssen.
Brilinsky, man möchte fast kalauern, brilliert mit seiner Darstellung der Auswahl ungemein. Er hebt diese Stücke ins Rampenlicht und zeigt damit, dass sie mehr sind als Spezialmusik für übende Geiger. Dabei demonstriert er die unterschiedlichen Seiten des Geigenspiels, die das Instrument so reizvoll und vielseitig machen. Nicht nur gelingt es ihm im Handumdrehen, die technischen Erfordernisse in klingende Töne umzusetzen, sondern auch, spannend gestaltete Geschichten zu artikulieren, so dass man den Kompositionen gerne lauscht, wenn sie zunächst auch nur als Spezialliteratur für Liebhaber und Könner des Instruments erscheinen mögen.
The examples of violin solo literature shown by the Ukranian violinist Brilinsky, a member of the Vienna Philharmonic, are so demanding in character that they must be regarded as stage works and not just practice pieces, even if the title etude may suggest the latter. This is also supported by the fact that Joseph Joachim said that Paganini was probably a more virtuoso player than Ernst, but could not match him for warmth, poetry and spirit, which is also reflected in Ernst’s compositions.
The technically demanding Six Polyphonic Etudes by Heinrich Wilhelm Ernst show a parallelism with the much younger sonatas by Ysaÿe, as they are also dedicated to six famous violinists of their time, namely Ferdinand Laub, Prosper Philippe Catherine Sainton, Joseph Joachim, Henri Vieuxtemps, Josef Hellmesberger senior and Antonio Bazzini. This alone gives each of these etudes its own character.
Henri Wieniawski’s works include L’école Moderne, an indispensable part of the violin literature with technical challenges and musical content, and the much more frequently heard Légende. Brilinsky has recorded the latter, originally written for violin and orchestra and usually played with violin and piano, here set in two rounds for two violin parts.
The album concludes with the Grand Caprice on Schubert’s Erlkönig, once again by Ernst. With narrator, Erlkönig, father and child as well as piano accompaniment on the violin, the violin has four to five roles to play, which must be captivatingly conquered with challenging different techniques for the various characters and moods.
Brilinsky shines immensely with his presentation of the selection. He puts these pieces in the spotlight and shows that they are more than just special music for practicing violinists. He demonstrates the different sides of violin playing that make the instrument so appealing and versatile. Not only does he succeed in transforming the technical requirements into melodious tones in the blink of an eye, he also manages to articulate exciting stories so that the listener enjoys listening to the compositions, even if they initially only appear to be special literature for lovers and experts of the instrument.