Was nur ritt den Darmstädter Hofkomponisten Christoph Graupner, als er verfügte, dass nach seinem Tod im Jahr 1760 sämtliche seiner Werke zu vernichten seien? Sein durch Missachtung dieses Willens erhaltenes übergroßes Œuvre umfasst Kantaten, Sinfonien, Ouvertüren und Konzerte, Sonaten, Opern und Klaviermusik. Graupner war unglaublich produktiv: Allein sein Kantatenschaffen brachte 1.450 Werke in über 40 Jahrgängen hervor. Hieraus haben der Countertenor Franz Vitzthum und der Tenor Georg Poplutz gemeinsam mit dem Main-Barockorchester ein österliches Pasticcio zusammengestellt und für das Label Accent eingespielt.
Beide Sänger sind Meister ihres Fachs und haben wiederholt Entdeckergeist bei der Aufspürung origineller vergessener Musik unter Beweis gestellt. Das gelingt ihnen auch mit diesen Arien und Duetten von Graupner: Drei ‘Kantaten’ haben sie hier aus verschiedenen Werken kompiliert. Mit Verve werden die Partien zelebriert und aus dem Schatten ins Licht gezogen. Akzentuiert und mit sprachlicher Finesse spüren die Sänger den kompositorischen Feinheiten nach, brillieren in blitzsauberer Parallelführung und eleganten Intervallsprüngen. Man merkt: Hier « können zwei miteinander“. Gestaltet wird ansprechend linear und mit wohl dosiertem Timbre – immer darauf bedacht, den Inhalt der Arien in ihrer spätbarocken Rhetorik kunstvoll in den Vordergrund zu stellen.
Die Auswahl ist durchdacht, können die Stücke doch durchaus für sich stehen: Ergreifend singen Vitzthum und Poplutz in ‘Was, Pilgrim, trauerst du’ das Duett des erschütterten Jüngers, dessen Meister am Kreuz hängt, und der doch sanft auf das ‘Wunder dieser Zeiten’ hingewiesen wird. Packend kompakt erklingt ‘Bittet, so werdet ihr nehmen’, höchst geschmackvoll gelingen auch die Secco-Rezitative. Das Duett ‘Babel, lass den tollen Eifer’ beschließt die Auswahl der 16 Vokalnummern. Dass das Orchester hier etwas abfällt, liegt weniger an der Fähigkeit der Musizierenden als an der Aufnahme: Mehr Präsenz wäre ein Gewinn. Gleiches gilt auch für die beiden rein instrumentalen Werke Graupners, die die Duette und Arien ergänzen.
Allerdings wird hier weitaus weniger impulsiv und originell musiziert als in den Vokalpartien: Das von Martin Jopp dirigierte Main-Barockorchester spielt über weite Strecken ohne die Musik wirklich zu gestalten. Agogische oder dynamische Akzente scheinen bewusst ausgespart oder nur dezent aufgegriffen zu werden, dabei würden diese die Ouvertüre in c-Moll (GWV 413) und das g-Moll-Konzert für zwei Violinen (GWV 335) durchaus schmücken. Die Folge ist ein eher zweidimensionaler Klang ohne echte Tiefe. So ist beispielsweise der Echoeffekt im ersten Menuett der Ouvertüre kaum hörbar. Graupner schrieb seine Musik bewusst schlicht und reduziert, informiert das Booklet. Das fasst das Main-Barockorchester jedoch leider nicht als Verpflichtung auf, selbst kreativ zu werden und den Stücken einen originellen Anstrich zu verleihen. Diese Aufgabe überlässt es den Gesangssolisten, die sie in ihren Partien allerdings mit Bravour erfüllen.
What brought the Darmstadt court composer Christoph Graupner to decree that all his works were to be destroyed after his death in 1760? His vast oeuvre, preserved by disregarding this will, includes cantatas, symphonies, overtures and concertos, sonatas, operas and piano music. Graupner was incredibly prolific: his cantata output alone produced 1,450 works in over 40 vintages. From these, the countertenor Franz Vitzthum and the tenor Georg Poplutz, together with the Main Baroque Orchestra, have compiled an Easter pastiche and recorded it for the Accent label.
Both singers sing very well and have repeatedly demonstrated a spirit of discovery in tracking down original forgotten music. They succeed in this with these arias and duets by Graupner: three ‘cantatas’ they have compiled here from different works. The parts are celebrated with verve and pulled out of the shadows into the light. Accentuated and with linguistic finesse, the singers trace the compositional subtleties, shine in lightning-clean parallelism and elegant intervallic leaps. One notices: Here « two can with each other ». The interpretation is appealingly linear and with a well-measured timbre – always careful to bring the content of the arias in their late baroque rhetoric artfully to the fore.
The selection is well thought out, since the pieces can stand on their own: Poignantly, in ‘Was, Pilgrim, trauerst du’, Vitzthum and Poplutz sing the duet of the shaken disciple whose master hangs on the cross, yet is gently pointed to the ‘wonder of these times’. The ‘Ask, and you shall receive’ is grippingly compact, and the secco recitatives are also highly tasteful. The duet ‘Babel, lass den tollen Eifer’ concludes the selection. That the orchestra falls off somewhat here is less due to the ability of the musicians than to the recording: more presence would be a gain. The same is true of Graupner’s two purely instrumental works that complement the duets and arias.
However, the music-making here is far less impulsive and original than in the vocal parts: the Main Baroque Orchestra, conducted by Martin Jopp, plays for long stretches without really shaping the music. Agogic or dynamic accents seem to be deliberately omitted or only discreetly taken up, although these would certainly adorn the Overture in C minor (GWV 413) and the G minor Concerto for two violins (GWV 335). The result is a rather two-dimensional sound without real depth. For example, the echo effect in the first minuet of the overture is barely audible. Graupner wrote his music deliberately simple and reduced, informs the booklet. Unfortunately, the Main Baroque Orchestra does not take this as an obligation to become creative itself and to give the pieces an original touch. It leaves this task to the vocal soloists, who, however, fulfill it with bravura in their parts.