Sein 20-jähriges Bestehen feierte das Leipziger Calmus Ensemble mit Carus 2019 mit einer Doppel-CD, deren Programm kreuz und quer durch alle Stile und Jahrhunderte das große Können dieses Quintetts dokumentierte. Nun überrascht das Ensemble mit Landmarks, einem Album, das auf den ersten Blick keinerlei Konzept folgt, dessen roter Faden jedoch schnell spürbar wird.
Landmarks entstand aufgrund der schlichten Idee, auf einer Weltkarte zehn Orte mit einer Stecknadel zu markieren, aus deren Ländern alle der 23 eingespielten Stücke und Arrangements kommen: aus den vergangenen hundert Jahren, aus Europa und Übersee, von Leonhard Cohen bis Georg Kreisler, von Francis Poulenc bis Sting.
Überhaupt: ‘Sting singt Dowland, Calmus singt Sting’, bringt es Bariton Ludwig Böhme im äußerst lesenswerten, weil die Kompilation klug begründenden Booklet auf den Punkt. E oder U? Das ist dem Calmus Ensemble in diesem Fall nicht so wichtig. Oder doch, nur eben anders: Das E klingt unterhaltsam, das U nicht ohne Ernst. Überhaupt umschifft Landmarks gekonnt künstliche Grenzen und unterstreicht die Internationalität der Musik, vor allem der gesungenen.
Einmal mehr darf man sich am Zusammenspiel der mit der gewohnten, äußersten Homogenität musizierenden Solostimmen delektieren: Der exquisite, stets authentische und nie gekünstelte Ensembleklang steht neben einem grandios satten Chorsound wie in der bei aller Vertracktheit transparent intonierten Chorfuge in Track 6 (El Santigua’o von Fredrico Ruiz). Die Aufnahme ist exzellent, man ist unheimlich nah dran an den einzelnen Stimmen; zuweilen spürt man – wie im Schlussakkord von Track 15 (Dos lidl fun goldenem Land von Mordechaj Gebirtig) – gar wohlig die Vibration.
Von Gebirtig singt das Ensemble auch S’brennt, komponiert nach einem Pogrom auf die polnische Stadt Przytyk – und bei aller Einfachheit geht es unter die Haut, denn es darf gerne als gesellschaftspolitisches Statement verstanden werden: « Und ihr steht da und schaut Euch um, mit verschränkten Armen“, heißt es in der Übersetzung des jiddischen Originals. Leider durften im Booklet aus urheberrechtlichen Gründen nicht bei allen Werken Übertragungen abgedruckt werden.
Einige Stücke – die Sting-Adaption Moon over Bourbon Street von Naomi Crellin, Leonhard Cohens Everybody knows sowie Love Endures Everythin“ von Paul Moravec – hatten es bereits auf das Jubiläumsalbum geschafft. Diese und die anderen für Landmarks ausgewählten Arrangements zeigen erneut das große Einfühlungsvermögen des Carus Ensembles auf, gemeinsam Musik zu durchdringen und mit persönlicher Note wiederzugeben. Wunderbare Überraschungen sind dabei die Two Modern Madrigals des 1963 geborenen finnischen Komponisten Jaakko Mäntyjärvi und hier vor allem The Silver Svan auf die berühmten Verse Orlando Gibbons: Vokalkunst a cappella in Vollendung.