Bachs Matthäus-Passion ist ein Monument – derart facettenreich, derart vielschichtig, dass sich eine Neubetrachtung stets lohnt. Neue Aspekte hat vor allem der Bach-Forscher Klaus Hofmann aufgrund aktueller Quellenforschung ausgemacht. Er hat Bachs nicht gerade spielfreundliche Originalpartitur kritisch gelesen, Artikulationsfragen neu gedeutet, sie einer musikwissenschaftlichen Analyse unterzogen und eine neue Ausgabe erstellt. Auf ihr fußt Frieder Bernius’ Interpretation, eine innerlich sehr berührende Deutung.
Seine Matthäus-Passion ist nicht nur Leiden, auch Leidenschaft, sie ist nicht nur Trauer über den schmerzhaften Tod Jesu, sie ist auch Hoffnung. Nirgendwo kommt dieser rhetorische Dualismus am ergreifendsten zum Ausdruck als während des Karfreitagsgeschehens – ‘Wenn ich einmal soll scheiden’.
Bernius setzt auf ein sehr nuanciertes Farbenspektrum, das die Intimität des Geschehens, aber auch das Unfassbare, Unvorstellbare, Geheimnisvolle klar herausstreicht. Sein Klang bleibt stets schlank, transparent, die Rhetorik ist affektvoll, verinnerlicht. Sie fordert förmlich zum Nachdenken über das Gesagte und Gesungene heraus.