Dieser Bach irritiert! Und er wird polarisieren! Wer die expressiven Aufnahmen eines Rostropovich, Casals, Starker und anderen kennt, wird mit der zurückhaltenden Interpretation von Isang Enders vielleicht seine Schwierigkeiten haben. Obwohl Bach in seinen Suiten Tanzsätze komponiert hat, wie Allemande, Courante, Sarabande, Menuett oder Gigue, folgt Enders nicht diesen Anweisungen und nimmt die sechs Suiten regelrecht auseinander. So wirkt auch jede der Cello-Suiten wie ein modernes Kunstwerk, wie ein Patchwork an Noten, Melodien und Klangkonstellationen. Sehr ernst, ja manchmal sogar gebrochen und düster in den musikalischen Aussagen konfrontiert Enders hier den Hörer mit seinen eigenen Hörgewohnheiten, mit Bach-Klischees und irgendwelchen Traditionen. Der junge Cellist, Jahrgang 1988, zeigt Mut zum Anderssein. Mit einer stoischen Ruhe und einem klar durchdachten Konzept gehrt Enders keine Kompromisse ein. In anderen Worten: Sein Bach gefällt nicht und tut auch nichts dafür, um zu gefallen. Vielmehr versucht der Interpret, einen anderen Blick auf diese Werke zu werfen, die wir ja anscheinend auswendig kennen. Und es gelingt ihm hundertprozentig. Bach Cellosuiten erhalten auf einmal ein anderes Gesicht, geben sich erstaunlich zeitgenössisch modern und zögern nicht, so manchen Hörer zu schockieren oder aus seinen Hörgewohnheiten zu reißen.
Ich muss zugeben, dass, obwohl ich persönlich mindestens zehn andere Interpretationen dieser hier vorziehe, doch schwer beeindruckt von der Ernsthaftigkeit dieser Auseinandersetzung und dem spielerischen Können des Cellisten bin. Enders schafft es nämlich, einen komplett neuen, anderen Blick auf diese Werke zu werfen und somit Hör- und Spieltraditionen zu hinterfragen. Enders Aufnahme ist eine lebendige und wagemutige Auseinandersetzung mit diesem Oeuvre von Johann Sebastian Bach und eine enorme Bereicherung des Repertoires. Und eine solch wichtige Einspielung, dazu noch in atemberaubendem Klanggewand, verdient die Bestbewertung!
In a risky interpretation, Isang Enders gives ‘his’ Bach a radically new character. Breathtaking!