Wenn ein Regisseur eine Oper nicht im musikalischen Kern erstickt, indem er Musik und Bühne auseinanderreißt, muss man heute schon dankbar sein. Wenn er dann noch Ideen hat, die die Bühne neuartig beleben und die Musik stützen, ja direkt aus der Musik zu kommen scheinen, ist das schon Zuschauerglück. Stefan Herheims Salzburger Inszenierung der ‘Meistersinger’ ist gut für solches Glück. Der Regisseur holt das letzte Quäntchen Witz aus Wagners komischer Oper, ja er visualisiert sogar mehr Witz als Daniele Gatti musikalisch darin findet. Und ich sag’s sofort: Ich habe diese ‘Meistersinger’ auch ohne Bild gehört, und ich versichere es ehrlich: das war gar nicht sooo lustig. Da haben andere Dirigenten Wagners Musik treffender charakterisiert als Gatti. Und wenn wir schon beim Dirigenten sind: er dirigiert so wenig präzis, dass die Wiener Philharmoniker auch mal unsauber spielen.
Herheim hat die Handlung in die Zeit des Biedermeier verlegt und aus ihr quasi ein Märchen gemacht. Daran lassen jedenfalls immer wieder alle möglichen, oft überdimensionalen Requisiten denken. Die Bühne ist übrigens von Anfang an Hans Sachsens Schusterstube. Für Szenen, die nicht in der Stube spielen, hat Bühnenbildnerin Heike Scheele Ausschnitte des Zimmers vergrößert nachgebaut, so z.B. für die Kirchenszene, die auf dem mehrere Meter hohen ‘Sekretär’ von Hans Sachs spielt. Für Nürnbergs Strassen wächst die Bibliothek zu Wohnhäusern an. Und am Ende war es nur der Traum des Sachs, den wir gesehen haben. Während der Ouvertüre werkelt Hans Sachs im Schlafrock in seinem Wohnzimmer, und am Ende jedes Aufzugs kehrt er dorthin zurück… Wer so viele gute Ideen hat wie der Norweger Herheim, den darf man getrost einen genial einfallsreichen Regisseur nennen.
Roberto Sacca ist gewiss kein schlechter Walther von Stolzing. Er ist ein überragender Sänger, auch wenn er seine Rolle zumindest am Anfang etwas pathetisch anlegt und eigentlich nie die leidenschaftlich-jugendliche Liebe zum Ausdruck bringt, wie es einst René Kollo gelang.
Markus Werba ist ein ganz und gar exzellenter, hinreißend nervös-quirliger Beckmesser, während Anna Gabler als Eva eher blass bleibt. Erwähnenswert ist auch Georg Zeppenfelds gut und nobel gesungener Pogner. Peter Sonn, der schon als David in Janowskis Berliner ‘Meistersingern’ einen guten Eindruck machte, ist noch souveräner und stimmlich sicherer geworden.
Die stärkste Leistung der Aufführung kommt von dem darstellerisch wie stimmlich exzellenten Michael Volle als Hans Sachs. Weniger philosophisch als eher unzufrieden mit der eigenen Situation, zwischen einem Beruf, den er nicht mehr mag, einer Leidenschaft, der Poeterei, die ihn nicht ganz befriedigt, einer Liebe, die er nicht lieben kann und einer Führerrolle, die er nicht übernehmen will, ist dieser Hans Sachs ein etwas frustrierte Schuster.
Die Tonaufnahme ist gut, und die Videocrew hat die musikalische Komödie optimal im Bild festgehalten, so dass man trotz der oben gemachten musikalischen Einschränkungen diese wunderbaren ‘Meistersinger von Nürnberg’ nur wärmstens empfehlen können.
In 2013 the Salzburg Festival celebrated Wagner’s 200th birthday with an exceptionally humorous production of Die Meistersinger von Nürnberg. Though musically not everything was up to Festival level (especially the Vienna Philharmonic under the not very precise baton of Daniele Gatti) some members of the cast are admirable, especially Michael Volle (Sachs), Markus Werba (Beckmeser) and Georg Zeppenfeld (Pogner). If this video is a must for every Wagner friend, it’s due to Stefan Herheim’s production which is sensitive as far as the story and the music are concerned, and he draws out of it the most vivid and funny Meistersinger ever recorded.