Ein Vierteljahrhundert jung ist das Werk ‘Schuberts Winterreise’ von Hans Zender. Zum Geburtstag hat der Tenor Julian Prégardien es eingesungen, knapp 20 Jahre nach seinem Vater. Die Aufnahme entstand im Anschluss an Aufführungen, u. a. in Luxemburg.
Bei Zenders Version ist alles so wie immer und trotzdem auch nicht. Ohrenscheinlich fällt auf, dass Zender das Original der Lieder verwendet, aber den Klavierpart durch solistisch besetztes Kammerensemble spielen lässt, in dem neben einem klassisch geprägten Kammerorchester ein umfangreicher Schlagwerkapparat sowie Akkordeon, Gitarre, Harmonika und Saxophon ihre Plätze gefunden haben.
Hans Zender beschreibt sein Werk als « ein Gespräch zwischen vergangener und gerade vergehender Zeit ». Dabei ist der Komponist mit Respekt vor dem beinahe zwei Jahrhunderte alten Zyklus vorgegangen. So will er Schaden vom Original bzw. auch seinem Werk abhalten und natürlich trotzdem seine heutige Sicht schaffen. Was entstanden ist, ist nicht ganz einfach eine Interpretation, eine Instrumentierung, eine akustische Illustration, ein origineller Ansatz, ein Remake, eine Adaption oder eine Kreation, sondern von allem etwas, ohne deswegen beliebig zu sein. Schubert ist in jeder Hinsicht in den allerbesten Händen ist.
Mit dieser gelungenen Neueinspielung gelingt ein tolles Geburtstagsgeschenk für das Werk.
Julian Prégardien führt seinen Vortrag stilvoll und kultiviert aus. Sorgfältig gestaltet er jede Phrase mit Sinn und Tiefgang, ohne die Textverständlichkeit zu vernachlässigen. Dank der Nuancen, die er zeigt, gewinnt die Figur des Wanderers Glaubwürdigkeit und Profil. Des Sängers enorme stimmliche Bandbreite, die von flehend zart bis hin zu wütend überdreht alles ausdrücken kann, zeigt, wie flexibel er mit seinen Mitteln umgeht.
Die Aufnahme klingt lebendig, als wäre man mit dem Wanderer unterwegs. Die Musiker der ‘Deutschen Radio Philharmonie’ setzen Zenders Partitur unter der Leitung des Dirigenten Robert Reimer mit größter klanglicher Phantasie um. Es gelingt, die Instrumentation mit all ihren Feinheiten, ihrer Rhythmik und Virtuosität auszuloten.
Natürlich fehlt der CD die optische Seite der szenischen Darstellung, nach der die Aufnahme entstand. Damit ist eine Komponente, die die Deutung erleichtert, entfallen. Andererseits kann man es wie Film und Buch sehen. Beim Hören kann man sich auf die Musik konzentrieren und seine eigenen Wege zu dem tiefschichtigen Zyklus finden und bekommt nicht eine andere Sicht vorgesetzt.
Anders als in der szenischen Aufführung, die der Autor in Luxemburg verfolgen konnte, erscheint die Aufnahme direkter, anfangs auch distanzierter und taucht erst nach einigen Liedern so richtig in die Tiefen der seelischen Abgründe ein.