Mit seinem ersten zeitgenössischen Soloalbum begibt sich Ilya Gringolts auf moderne Pfade, freilich mit Bezugnahmen. Und wie sollte es anders sein, diese gehen zu Johann Sebastian Bach, aber auch zu Elementen der Volksmusik.
Das fängt bei der Satzbezeichnung Ciaconna an, die in allen Werken einzelne Sätze, bei Roberto Gerhard sogar titelgebend die ganze Komposition benennt und so zum Titel der CD führte. Das geht aber weit darüber hinaus.
Das Werk von Gerhard nimmt die Doppelgriffe aus der Chaconne der zweiten Partita, wie schon viele vor ihm als Startpunkt für seine Phantasie. Dabei setzt er eine sehr frei und persönlich gestaltete variierende Zwölftonreihe ein, die Quarten umspielt.
Pauset hat sich aus den Partiten sieben Sätze ausgewählt, zu denen er eigene Vorspiele geschaffen hat. Diese gehen von zitathafter Anlehnung etwa im Loure bis hin zu freier Assoziation der Stimmungen, wie sie Pauset wahrnimmt. Holliger verbindet die Musik mit anderen Elementen wie Sprache und Geräusch und schöpft daraus seine Inspiration.
Um bei den Bach-Interpretationen anzufangen: « Wow, diese Paganini Capricen klingen ganz anders als das, woran man gewöhnt ist, …“ schrieb Remy Franck bei der Besprechung jener CD dieses Geigers. Und den Satz können wir hier entsprechend wieder aufgreifen und auch den Hinweis, dass die ganz freie und ungewohnt elegant lockere Herangehensweise bei den ausgewählten Sätzen von Bach eine Atmosphäre schafft, die sicherlich ein geteiltes Echo hervorrufen wird. Und auch ich selbst musste mich erst einhören, aber dann war ich überzeugt und begeistert. Auch hier gilt, dass die Umgebung, hier mit zeitgenössischer Musik, auch einen Rückfluss auf die Musik von Bach ausübt.
Die jeweiligen in Noten ausgedrückten Gedankenspiele, die Pauset geschaffen hat, sind also freie Näherungen, die oft einen fast schon mythischen Klang im Spiel von Gringolts annehmen. Aber sie sind doch immer mit menschlicher Seele geschaffen. Der Solist schafft für diese Verbindung von Pauset und Bach ein ebenso anregendes wie entspanntes Miteinander, das in den Ciaconnas von Pauset und Bach mündet und einen grandiosen Abschluss findet.
Die drei kleinen Szenen von Holliger geben mit ihren Stimmeinlagen zum Geigenspiel dem Solisten die Gelegenheit, noch eine Ebene einzubinden, die normalerweise für einen Instrumentalisten nicht gefragt ist. Auch das gelingt ihm ohne Abstrich mit überzeugendem Gestus. Der zwölfteiligen Chaconne von Roberto Gerhard lässt Gringolts eine ebenso sensible wie die zahlreichen Details herauskitzelnde Deutung angedeihen. Die Interpretation, die Gringolts der individuellen Zwölftontechnik von Gerhard angedeihen lässt, merkt man nicht an, welche hochvirtuosen Anforderungen an den Interpreten gestellt werden.
Gringolts ist damit ein großer Wurf gelungen, der jede Note des Zuhörens lohnt.
With his first contemporary solo album Ilya Gringolts goes on modern paths, yet also takes references. And obviously these go to Johann Sebastian Bach, but also to elements of folk music.
Roberto Gerhard’s work takes the double stops from the Chaconne of the second Partita, like many before him, as the starting point for his fantasy Chaconne. In doing so, he employs a very free and personal varying twelve-tone row that plays around fourths. Pauset chose seven movements from the Partitas, for which he created his own preludes. These go from citational borrowings in the Loure, for example, to free association of the moods as Pauset perceives them. Holliger combines the music with other elements such as language and noise and draws his inspiration from them.
Let’s start with the Bach interpretations. « Wow, these Paganini Caprices sound quite different from what one is used to … » wrote Remy Franck in reviewing Gringolt’s CD. And we can take up the sentence again here accordingly and also the hint that the quite free and unusual elegantly loose approach to the selected movements by Bach creates an atmosphere that will certainly evoke a divided echo. And I myself also had to listen in first, but then I was convinced and enthusiastic. Again, the environment, here with contemporary music, also exerts a reflux on Bach’s music.
So the respective mind games expressed in notes that Pauset created are free approximations that often take on an almost mythical sound in Gringolts’ playing. But they are nevertheless always created with human soul. The soloist creates for this combination of Pauset and Bach a coexistence that is as stimulating as it is relaxed, culminating in the Ciaconnas of Pauset and Bach, and a grandiose conclusion.
Holliger’s three small scenes, with their vocal interludes to the violin playing, give the soloist the opportunity to incorporate yet another level not normally called for an instrumentalist. He succeeds in this, too, with convincing gesture. Gringolts gives the twelve-part Chaconne by Roberto Gerhard an interpretation that is both sensitive and tickles out the numerous details. The interpretation that Gringolts gives to Gerhard’s individual twelve-tone technique does not show the highly virtuosic demands that are placed on the interpreter.
Gringolts has thus succeeded in creating a great work that is worth listening.